1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
versäumen.« Lodoiska senkte das schöne Auge zur Erde nieder und ein leises Rot hauchte die zarten Wangen an. »Ja, meine Kinder,« fuhr Rasinski fort, indem er zwischen Jaromir und Lodoiska trat, »habt ihr auch bedacht, was ihr tun wollt? Wer möchte euere Liebe nicht gern sehen? Ihr seid einander wert; Jaromir ist wacker, er wird ein Herz wie deines, Lodoiska, als das köstlichste Kleinod zu schätzen und zu schirmen wissen. Aber sind das die Zeiten, um den Bund der Liebe zu knüpfen? Darf man auf eine Saat hoffen, die man im Sturmwind streut? Wer schifft sich ein, wenn die See tobt und brandet; wer mag ein Freudenfest begehen in einem Hause, das auf schwankem Boden über dem Abgrunde hängt? Habt ihr ein Maß, die Erfüllung euerer Hoffnung zu messen? Ihr werft euch in den reißenden Strom, ohne zu wissen, ob die nächste Welle euch trennen oder an ein glücklicheres Ufer werfen wird.«
Lodoiska blickte sanft zu Rasinski hinauf und sprach: »Sind es denn nicht eben die Zeiten der Gefahr und der Sorge, die man gemeinsam leichter trägt? Das Glück, den Sonnenschein des Lebens genießt auch der einzelne für sich.«
»Aber der Mann soll kein Wesen an sein Geschick knüpfen, wenn dieses selbst unsicherer ist als die schwankende Welle.«
»Wahrlich!« rief Jaromir lebhaft, »ich darf jetzt nicht um dich werben, denn alles steht auf zu unsicherm Wurf! Und doch ein Band der Hoffnung möchte ich knüpfen!«
Er sprach diese letzten Worte mit so unschuldig bittendem Ausdruck des Gesichts, daß Rasinski sich eines gerührten Lächelns nicht erwehren konnte. Er erwiderte, indem er beide an der Hand faßte: »Wenn ihr ernst bedacht und erwogen habt, was ihr tun wollt; wenn es nicht bloß der Rausch eines flüchtigen Augenblicks ist; wenn du, Jaromir, deinen leichten jugendlichen Sinn so weit beherrschen kannst, um die Prüfung langer ernster Jahre zu bestehen, dann mögt ihr recht haben, den Bund der Treue zu schließen, und nicht die Gefahr, welche ihm von außen her droht, darf euch zurückschrecken. Denn auch ich weiß die würdige Gesinnung im Menschen zu schätzen, welche in ernster Stunde des Lebens, mehr für die Mühen als für die Freuden desselben, liebende Herzen verbindet. Dein Oheim, Lodoiska, hat mir väterliche Vollmacht gesandt, dich Jaromir zu verloben. Wenn du nicht selbst zagst, den Schritt in das ernste Reich der Pflichten zu wagen, so darf ich euere Hände ineinander legen und die Ringe euers Gelübdes wechseln.«
Die schöne Gestalt stand süß bebend und mit dunkler Rosenglut auf den Wangen vor dem ernsten, väterlichen Freunde. Dieser hob ihr das schamhaft gesenkte Antlitz sanft empor und fragte: »Du willst?« Sie sank statt der Antwort stumm an die Brust der Gräfin, welche neben sie getreten war, doch ließ sie die Rechte in Rasinskis Hand, der sie in die dargebotene des von Entzücken trunkenen Jaromir legte. »O wie unaussprechlich glücklich bin ich!« rief er aus, indem er die Hand des bebenden Mädchens an seine Lippen preßte.
»Sie ist nun deine Braut,« sprach Rasinski, »und jede heiligste Pflicht bindet dich an sie. Wirst du den Mut haben, sie zu erfüllen?« – »Bis an meinen Tod!« rief Jaromir heftig und zog das reizende Wesen, welches sich ihm mit der ganzen Hingebung des weiblichen Herzens weihte, an seine Brust. In diesem Augenblick trat Boleslaw ein, der bleich wie der Tod wurde, als er die Umarmung der Glücklichen sah; denn sein Herz hatte eine tiefe, ernste Liebe zu der schönen Lodoiska gefaßt, und er ahnte nicht, daß sie die Braut des Freundes sei. Doch mit einer Fassung, die seinem strengen, zwar leidenschaftlichen, aber doch festen Charakter allein möglich war, bezwang er Schreck und Schmerz zugleich und zeigte ein ruhiges Antlitz, während der Todesstoß ihm die Brust zerriß. Festen Schrittes ging er auf die Anwesenden, deren keiner ihn beim Eintreten bemerkt hatte, zu. »Ich darf dir Glück wünschen?« fragte er und trat zu Jaromir.
»Nein,« rief dieser lebhaft, »denn ich bin im Besitz des seligsten Glücks, welches diese Erde uns bietet!«
Die Freunde umarmten einander herzlich, gegen Lodoiska verbeugte sich Boleslaw ernst, ergriff ihre Hand und sprach: »Seien Sie glücklich, ganz glücklich.« Da zitterte und erblaßte er doch; es wurde selbst seiner jugendlichen Heldenkraft zuviel. »Weißt du schon, Rasinski, daß wir übermorgen ausrücken?« wandte er sich zu diesem, um dem Gespräche schnell eine andere Wendung zu geben. – »Allerdings«,
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