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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Strahlen der göttlichen Sonne rein bis in die tiefste, schauerlichste Kluft der Erde hinabdringen.

Zehntes Kapitel.
    Schon mit dem frühesten Morgen dröhnte das Wirbeln der Trommeln und das Schmettern der Trompeten durch die Straßen Warschaus und rief die Truppen zum Abmarsch zusammen. Mit banger Seele vernahm es Lodoiska, welche den Geliebten ihrer Seele jetzt tausend drohenden Gefahren entgegensenden sollte. Nicht in so ängstlicher Besorgnis, sondern die Brust mit vaterländischen Hoffnungen erfüllt, sah die Gräfin das Ereignis an; sie fühlte zu sehr als Polin, um nicht mit einer Einmischung freudigen Stolzes jedes kriegerische Bild, deren die bewegten Tage dieser Zeit so viele aufstellten, zu betrachten. Auch ihren Bruder, der ihr das Liebste auf der Erde, ja der ihr alles war, da sie sonst ganz allein stand, sah sie mit Hochgefühl an der Spitze seiner Schar ausrücken.
    Ein Klirren von Säbeln auf dem Korridor kündigte das Herannahen Rasinskis und seiner Kameraden an, welche in das Gemach der Frauen traten, um Abschied zu nehmen. Sie waren in voller Uniform; die Schärpe, der Säbel schmückte sie, und von der Tschapka wehten leuchtende Federbüsche. Der kriegerische Anzug verleiht kriegerische Haltung des Körpers und der Seele. Es ist, als ob der Beruf des Standes mit den äußerlichen Zeichen desselben bestimmter zum Bewußtsein käme. Daher waren die Männer weniger bewegt in der Minute des wirklichen Abschiedes, als ihre frühere weiche Stimmung vermuten lassen durfte. Rasinski drückte die Schwester mit brüderlicher Wärme an die Brust und sprach männlich fest: »Wir ziehen aus zu einem freudigen Beruf; kein Schmerz komme in unsere Seele. Nur heilige Begeisterung für das Vaterland durchglühe sie mit mächtigen Flammen. Wir werden unsere entweihten Altäre reinigen, den vertriebenen vaterländischen Göttern einen neuen Herd gründen, an unsern alten Grenzen das Wappen der Jagellonen wieder aufpflanzen, ihr heiliges Banner wieder leuchten lassen zum Ruhme unsers Volks! Lebe wohl, Schwester; nicht mich, nicht uns, nur unsere Waffen begleite dein Segen, nur für den Sieg sende dein Gebet zu dem Allmächtigen! Ob wir fallen, ob wir wiederkehren, das ist eins; wenn nur Polens weißer Aar sich mit stolzen Schwingen aus der Donnerwolke der Schlachten in den reinen Himmel der Freiheit erhebt. Leb wohl! Gott erhalte dich zu freudigen Tagen.«
    Er ließ den Arm, den er prophetisch beteuernd erhoben hatte, sinken, küßte die Schwester noch einmal, drückte auch auf Lodoiskas bleiche Wange einen Kuß und verließ dann mit raschen Schritten das Gemach und eilte hinab, um sich zu Roß zu schwingen.
    Jaromir schloß seine Braut mit heißen Jünglingstränen an die Brust; jubelnd schlug sein Herz dem Kampfe fürs Vaterland entgegen, doch blutete es, indem er sich von der Geliebten trennte. Sie weinte kaum, denn ein kaltes Grauen, furchtbarer als der tiefste Schmerz, ließ ihre Tränen erstarren. Nur an ihren bleichen Lippen und Wangen, an ihrem fieberhaften Beben ließ sich die Qual ermessen, welche sie in diesem Augenblicke erduldete.
    Jaromir legte das zitternde Marmorbild an die Brust ihrer mütterlichen Pflegerin. Diese weinte ihre heiße Angst in Tränen, denen sie bis jetzt noch mächtig geboten hatte, über das geliebte Wesen aus. Für den Abschied der drei Jünglinge, welche ihrem Herzen nicht so nahe standen, wiewohl es, zumal in der Stunde des Scheidens, mit warmer Freundschaft für sie schlug, für dieses Lebewohl blieben ihr nur verschleierte Blicke und eine stumm dargereichte Hand. Boleslaw war der letzte im Zimmer. In seiner ernsten düstern Brust brauste der Sturm der Leidenschaft mit furchtbarer Macht auf. Er sah die, welche ewig die Seine und ewig ihm entrissen war, als ein Bild des Todes vor sich, wie sie mit matt geschlossenen Augen in den Armen der Mutter hing; er bebte, er vermochte sich kaum auf den Füßen zu erhalten, so krampfhaft zerriß ihn der Schmerz, der vergeblich nach dem milden Tau einer Träne rang. Der Sturm seiner Leidenschaft drohte ihn zu überwältigen; es war ihm einen Augenblick, als dürfe, als müsse er die Geliebte ans Herz reißen und ihre Liebe fordern, weil die seine größer, wahrer, heiliger sei als Jaromirs. Es rief dumpf in ihm: trinke einmal wenigstens den Becher der Seligkeit von ihren Lippen, und wenn er dir zu glühendem Gift würde. Der innere Kampf schüttelte ihn wie im Fieberfrost. Doch sein besserer Genius siegte. »Nein,« rief er schaudernd, »es

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