1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
erwiderte dieser. – »Auch daß Oberst Regnard mit seinem Regiment marschiert, und die Dragoner und die drei Kompagnien reitender Artillerie gleichfalls?« – »Mir war nur,« erwiderte Rasinski, »der Befehl bekannt, soweit er mich selbst betrifft. Übrigens muß ich sagen, daß mich diese Begleitung nicht sonderlich erfreut, denn wir werden, je mehr wir sind, nur um so schlechtere Nachtquartiere haben. Ich liebe unser Vaterland, allein was seine gastlichen Städte und Dörfer anlangt, so taugen sie besser, ein feindliches Heer verhungern zu lassen als ein befreundetes zu ernähren.«
Bernhard und Ludwig, welche mit Boleslaw zugleich nach Hause gekommen, aber erst auf ihr Zimmer gegangen waren, traten jetzt ein und vervollständigten den häuslichen Kreis. Auch ihnen wurde das Brautpaar vorgestellt, auch sie widmeten ihm die aufrichtigsten Segenswünsche.
Rasinski zeigte im Laufe des Abends eine sanfte Heiterkeit, die ihn ungemein liebenswert machte. »Wie schade,« rief er im Verfolg des Gesprächs aus, »daß unser Freund Bernhard den Säbel und die Lanze so viel zu führen hat! Es ist ihm wahrlich keine Zeit geblieben, Pinsel und Griffel zu handhaben; sonst hätte er mir ein Bildnis unserer lieben Braut zeichnen müssen.«
Jaromir rief aus: »Und er hatte es mir sogar versprochen! Ihr ganzes Bild wollte er malen.«
»Wenn ich auch nicht die Zeit zu einem Gemälde behalten habe, warum sollte ich nicht wenigstens noch eine Zeichnung versuchen?« fiel Bernhard ein. »Der Abend ist unser; eine, wenngleich flüchtige Skizze ist doch mehr als nichts, und einige Stunden reichen noch vollkommen dazu aus. Es ist eine angenehme Eigenschaft unserer Tätigkeit, daß sie in solchen Fällen nur einen Teil unserer Kräfte in Anspruch nimmt und sowenig uns als andere in der geselligen Unterhaltung stört; wenigstens verlangen wir nur sehr geringe Opfer. Hand und Auge arbeiten, aber das Ohr behält Muße, dem Gange der Unterhaltung zu folgen, und die Seele teilt sich mit Leichtigkeit in beide Beschäftigungen. Erlauben Sie mir daher, hier mein kleines flüchtiges Atelier aufzuschlagen, die Lichter nach meinem Bedürfnis zu stellen; gönnen Sie meinen Augen die sonst nicht ganz artige Freiheit, sich scharf auf den Gegenstand meiner Tätigkeit zu richten, und ich hoffe, noch etwas zustande zu bringen, das wenigstens einen kleinen Ersatz für die größere Ausführung, zu der uns keine Zeit bleibt, gewähren mag. Überlassen Sie sich alle frei dem geselligen Verkehr; oft hat ein Bildnis viel mehr Wahrheit und Lebendigkeit, wenn wir es einem unbefangenen Augenblicke ablauschen, als wenn der Gegenstand sich gewissermaßen feierlich dazu anschickt, auf die Leinwand übertragen zu werden. Und am unglücklichsten pflegt es herauszukommen, wenn gar jemand mit der ängstlichen Mühe versucht, alle Falten und Fältchen seines Gesichts mühseligst zurechtzulegen, um den Ausdruck der Unbefangenheit recht methodisch hineinzuarbeiten, und zur Zugabe noch gar ein unbewußtes Lächeln um die Lippen herumzumeißeln, etwa wie man ein Kleid mit Blonden garniert.«
Freudig stimmten die Anwesenden in Bernhards Vorschlag ein, und es wurde ihm völlig freie Hand gelassen, alle Anordnungen nach seinem Wunsche zu treffen. Er machte nur noch die Bedingung, daß ihm niemand vorzeitig ins Blatt sehen dürfe, weil kein Künstler sich gern bei der Operation des Schaffens belauschen lasse, indem dabei seine Irrtümer und Fehler am deutlichsten ans Licht träten. Hierauf holte er sein Zeichengerät, setzte sich die Lichter in Ordnung, änderte noch einiges in der Art und Weise, wie er zu den übrigen saß, und ging sodann frisch ans Werk.
Die Unterhaltung der übrigen ging ungestört fort; Bernhard nahm sogar den ungezwungensten Anteil daran, wiewohl er im ganzen mehr hörte und nur einzelne Worte dazwischenwarf, um dieser oder jener Ansicht beizupflichten, sie durch eine Bemerkung zu unterstützen, oder einen scharfen Pfeil des Widerspruchs darauf abzuschnellen. Indessen drehte sich das Gespräch nur um allgemeinere Gegenstände, welche zwar eine gewisse Lebhaftigkeit der Teilnahme erweckten, aber doch keine leidenschaftliche Aufregung der Seele verursachten. Darum hatte Bernhard gleich anfangs gebeten, weil er bei eintretenden heftigen Bewegungen des Gemüts unmöglich in der ruhig begonnenen Weise hätte fortzeichnen können; mit großer Geschicklichkeit wußte er diesen Zustand zu erhalten und immer zur rechten Zeit dem Gespräch Zügel anzulegen
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