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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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aufgesprungen, um die Erkundigungen einzuziehen. Währenddessen hatte sie Muße, die beiden edeln Gestalten aufmerksamer zu betrachten. Sie mußte sich gestehen, selten schönere Frauen gesehen zu haben, zumal hatte die ältere eine solche Hoheit in ihrem Wesen, daß sie, obwohl die jüngere mit allen Reizen zarter Anmut geschmückt war, dieselbe doch gewissermaßen verdunkelte. Das schwarze Haar, welches die weiße Stirn bedeckte, lieh in Verbindung mit dem großen, dunkeln Auge dem Angesicht eine edle Melancholie, welcher die ältern Züge, insbesondere die mindere Frische der Wangen, noch einen erhöhten Grad gaben. Zwar saß die Fremde, und ein weiter dunkelroter Schal verhüllte den Bau ihres Körpers, allein man war gewiß, wenn sie aufstand, mußte sie den Anstand einer Königin haben. Die Tochter war gewissermaßen der sanfte blaß aufsteigende Mond jener prächtig untergehenden Sonne gegenüber. Man konnte nicht eben von einer Ähnlichkeit zwischen beiden sprechen, doch war wenigstens eine nationale Verwandtschaft so hervorstechend bemerkbar, daß auch der oberflächlichste Blick hinreichte, einen nahen Zusammenhang zwischen ihnen zu erkennen.
    Während Marie sich diesen Eindrücken überließ, kehrte der Rittmeister zurück und sprach: »Ich kann Ihnen jetzt genaue Kunde geben; die Damen sind Polinnen, die ältere eine Gräfin Johanna Micielska, die jüngere ihre Pflegetochter, namens Lodoiska.«
    Marie schreckte freudig zusammen, denn durch die Briefe ihres Bruders kannte sie diese Namen und wußte, daß Johanna Rasinskis Schwester war. Allein sie befand sich in einer eigenen, ängstlichen Verlegenheit, da sie gar nicht wußte, ob Rasinski ihrer jemals erwähnt habe; ihr Verhältnis zu Ludwig konnte er nicht mitgeteilt haben, da dieser einen andern Namen führte, jedoch war es wohl möglich, daß er sie seiner Schwester genannt hatte, zumal da alle Briefe Mariens unter Rasinskis Adresse gingen, und er auch Ludwigs oder Bernhards Antworten immer mit einem Kuvert von seiner Hand und mit seinem Siegel einschloß und sie so an Mariens Mutter beförderte. Sie hatte die größte Sehnsucht, mit der schönen Frau zu sprechen, sich nach ihrem Bruder, nach Bernhard zu erkundigen. Eine leise, aber dringende Stimme ihres Herzens, der sie jedoch kein Gehör schenken wollte, trieb sie auch an, nach dem Manne zu fragen, der ihr so schnell teuer geworden war; welch einen Kampf mußte sie bestehen, wenn sie gezwungen war, alle diese heiligen, mächtigen Triebe in die stummen Bande des Schweigens zu legen! Ihre Unbefangenheit für die Freude des Festes war dahin; alle ihre Gedanken richteten sich nur auf den einen Punkt, sie vermochte fast die Blicke nicht wieder von der Gräfin abzuwenden. Der Rittmeister knüpfte ein Gespräch mit ihr an, doch sie mußte ihre ganze Kraft zusammennehmen, um nur die notwendigsten Antworten geben zu können. So lebhaft der gebildete Mann sprach, mit so geläufiger Anmut er auch die gesellige Bedeutung eines solchen Festes zu schildern wußte, Marie bemerkte oftmals mit leichtem Erschrecken, daß sie ihn zwar aufmerksam angesehen, aber kein Wort von dem, was er sagte, gehört hatte. Sie sah nicht, wie anmutig sich die Gruppen im Grünen lagerten, hörte nicht, wie fröhlicher Scherz überall laut wurde, ja sogar der Mutwille schon anfing sich ein wenig übermütig zu zeigen. Es war ihr daher sehr lieb, als man nach einer halben Stunde wieder aufbrach und der Rittmeister ihr den Arm reichte, um sie wieder an den Wagen zu führen. Hier gab es einige Verwirrung; denn nicht alle hatten sich genau die Wagen gemerkt, in denen sie gekommen waren, und da es meistens Mietwagen aus Teplitz waren, so wußten die wenigsten sie wieder aufzufinden. So geschah es, daß man in einen freundschaftlich scherzhaften Streit geriet, den der Mutwille einiger jungen Männer noch mehr verwirrte. Auch Marie kam in eine ähnliche Verlegenheit, da fremde Damen schon in den Wagen eingestiegen waren, auf welchen sie mit ihrer Gesellschaft Ansprüche zu haben glaubte. Die Verwirrung war groß, aber durchaus scherzhaft, zumal da die jungen Männer die Kutscher durch ein Trinkgeld anstifteten, zu behaupten, sie könnten gar kein gültiges Zeugnis der Entscheidung ablegen, indem sie ja immer mit dem Rücken gegen die Herrschaften gesessen hätten, folglich nicht wüßten, wer sich im Wagen befunden habe. Der Streit wurde bald ein großmütiger; da jeder nunmehr mit gesellschaftlicher Höflichkeit unrecht haben und dem andern

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