1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
der Elbe malerisch hinzog, ganz nahe vor sich. Die Reiter, welche bisher die Wagen begleitet hatten, sprengten nun voran, um die Ankunft der Damen zu melden und alles auf ihren Empfang vorzubereiten. Der ganze Ort kam in Aufregung, als die stattliche Reihe junger Männer zu Pferde ihren Einzug hielt; alles flog an die Fenster, vor die Haustüren. Die niedlichsten Mädchen in ihren böhmischen Häubchen guckten neugierig mit den lebhaften schwarzen Augen nach den vornehmen Herren hinaus, und fuhren halb verschämt, halb vergnügt lachend mit dem artigen Köpfchen schnell zurück, wenn ihnen ein Kuß zugeworfen, oder ein Gruß hinaufgewinkt wurde, wozu sich die jungen Leute in ihrem fröhlichen Übermute gar zu sehr aufgelegt fühlten. Der Wirt des Gasthauses war schon benachrichtigt; mit dienstfertiger Eile sprangen er und seine Leute den Ankommenden entgegen und nahmen ihnen die Pferde ab. »Es ist alles schon aufs beste in Ordnung, meine Herren,« rief der Wirt; »das ganze Haus steht zu Ihren Diensten, die Zimmer sind gereinigt und aufgeschmückt, für eine gute Tafel habe ich gesorgt, kurz, ich hoffe, die gnädigen Herrschaften werden mit mir zufrieden sein.«
»Wir wollen sehen,« sprach der Baron Heilborn, einer der Anordner des Festes, »wir wollen alles in Augenschein nehmen. Längstens in zehn Minuten treffen die Wagen mit den Damen ein, und da darf nichts mehr fehlen. Haben Sie auch Blumen genug, um die Treppe zu bestreuen, und ist auch der Eingang gehörig bekränzt?«
»Das will ich meinen, Ew. Gnaden,« erwiderte der Wirt; »und nicht nur die Eingänge, sondern auch der Speisesaal, so gut wir's anzuordnen gewußt haben und das freilich nicht sonderlich schöne Lokal es zulassen wollte.«
Unter diesen Worten ging man die Stiegen hinauf, um den obern Raum des Hauses, der zum Empfang der Gäste eingerichtet war, zu besichtigen. Prachtgemächer durfte man freilich nicht erwarten; denn vier ziemlich grob geweißte Wände, auf denen die niedrige Decke fast ängstlich drückte, plumpe, schlecht schließende Türen mit rotbrauner Farbe getüncht, kleine, trübe Fenster, deren Scheiben in Blei gefaßt waren, und ein Fußboden von schlechten Dielen, der nirgends wagerecht lag, konnten freilich keinen glänzenden Palast bilden, und außer einiger Stukkaturarbeit an der Decke war nichts zu sehen, was man eine architektonische Verzierung hätte nennen können. Indessen hatte der Wirt die Türen mit dicken Eichenlaubkränzen, zwischen denen sich auch einige Blumengewinde wahrnehmen ließen, behangen; der Geschmack in der Anordnung war zwar nicht der feinste, verlieh aber einen ländlich fröhlichen Anstrich, wie denn Grün und Blumen uns immer freundlich ansehen, wenn sie auch noch so kunstlos geordnet sind. Ähnlich wie die Türen war der Saal geschmückt; rings an seinen weißen Wänden zogen sich die grünen vollen Eichenkränze in anmutig geschwungenen Bogen (eine schöne Form, welche das Gesetz der Schwere von selbst erzeugt) etwa einen Fuß unterhalb der Decke dahin. Die Eintretenden sahen sich ringsum und riefen dann dem Wirt ein anerkennendes Bravo zu; denn ein frohgestimmter Sinn läßt sich mit allem genügen, was seiner Stimmung entgegenzukommen sucht. Doch hatte man nicht Zeit, sich lange im Saale zu verweilen, da die Wagen jeden Augenblick eintreffen konnten. Die jungen Leute eilten daher hinunter, ordneten an, daß Treppen und Hausflur mit Laub und Blumen bestreut wurden, und stellten sich nun müßig in das Tor, um die Ankunft der übrigen zu erwarten. Rings in allen Fenstern lagen die erwartungsvollen Bewohner des Städtchens; ein Kreis von Kindern hatte sich um das Haus versammelt. So ärmlich und halb entblößt die meisten waren, so leuchtete doch die Freude über das ungewohnte Schauspiel, welches ihrer wartete, aus den muntern beweglichen Augen. Der Wirt wollte sie verjagen, damit die gnädigen Herrschaften, wie er sich ausdrückte, nicht belästigt würden; doch Heilborn wehrte ihm und sprach: »Laßt den Kindern die Freude; sie stören die unserige nicht, so mögen sie auch die ihrige haben; ja es macht es noch lustiger, wenn ein so munterer kleiner Schwarm seinen Jubel erhebt. Sieht man andere fröhlich, so wird man es selber desto mehr; also laßt nur die Kleinen hier herumspringen und jauchzen und jubeln und in die Händchen klatschen, soviel ihnen beliebt. Wir wollen wetteifern, wer am lustigsten ist, sie oder wir.«
Jetzt rasselte der erste Wagen auf dem holperigen Steinpflaster des
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