1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
phantasievoller Kombination, an bunten Ereignissen und abenteuerlichen Schicksalen, und für die Werke, die einmal dieser Lust volle Genüge getan haben – und das hat Rellstabs »1812« in ungewöhnlichem Maße – für diese Werke bewahrt das lesende Publikum eine unbestechliche Pietät. Die Entwicklung der modernen Literatur selbst hat dafür gesorgt, daß die ältere so leicht nicht ausstirbt; sie hat zeitweise die Kunst spannenden Erzählens in Mißkredit gebracht und doch durch alle Künste der Stimmungsmalerei und Psychologie das eigentliche Volk der Leser nicht zu fesseln vermocht. Sie trägt deshalb selbst einen Teil der Schuld, daß heute der Lesepöbel sich mit erschreckender Leidenschaft den Machwerken der üppig aufschießenden Schundliteratur zuwendet und letztere immer mehr an Boden gewinnt. Diese Zeitkrankheit ist durch kein besseres Mittel zu heilen als durch die Verschreibung der starken Erzählertalente, die die deutsche Literatur, wenn auch vorwiegend in einer ältern Periode, so gut aufzuweisen hat, wie die englische und französische. Eines von diesen deutschen Erzählertalenten war Ludwig Rellstab. An dem gerechten Feldzug gegen die Schundliteratur soll daher auch diese Neuausgabe von Rellstabs »1812« teilnehmen, und es ist zu hoffen, daß der altgediente Krieger auch jetzt noch seinen Posten tapfer ausfüllen wird. Die Gegenwart selbst tritt ihm ja wie eine schützende und mitkämpfende Göttin zur Seite. Bald rundet sich ein volles Jahrhundert nach den Ereignissen jener mächtigen Zeit; Tag für Tag richten sich unsere Blicke hundert Jahre zurück in eine Vergangenheit, die aus Blut und Zerstörung, aus dem langjährigen erbitterten Ringen der Völker eine neue, unsere jetzige Welt erstehen ließ. Als bescheidener Herold der glorreichen Jahrhundertfeier, die Deutschland erwartet, wünscht deshalb auch diese neue Ausgabe von Rellstabs »1812« empfangen zu werden.
Mit dieser Darstellung von Rellstabs literarischem Wirken ist auch die Schilderung seines Lebens so gut wie erschöpft. Als Journalist und Schriftsteller ging er völlig in seinem Berufe auf, nicht viele von den Gesandten der »Großmacht Presse« dürfen sich eines solchen Ansehens rühmen, dessen sich Rellstab erfreute, und mit der Feder in der Hand ist er am 28. November 1860 gestorben. Die beiden letzten Jahre waren infolge eines Schlaganfalls durch schwere Krankheit getrübt. Das stürmische Jahr 1848 bedeutete auch für sein Leben einen Grenzpunkt; die politische Entwicklung Deutschlands befriedigte ihn nicht, und die freudige Zuversicht, mit der er bisher der Zukunft seines Vaterlandes entgegengesehen und die seine Freude und Kraft zu vielseitigster Arbeit gesteigert hatte, war gemindert. Nach seinem 25jährigen Jubiläum an der »Vossischen Zeitung« wurde er von einem Teil der Redaktionsgeschäfte befreit und konnte sich jetzt mehr seinem literarischen Schaffen widmen. Er hatte noch die Freude, 1860 eine zweite Ausgabe seiner »Gesammelten Schriften« in 24 Bänden zu erleben. Sein letztes Werk war seine Autobiographie, die unter dem Titel »Aus meinem Leben« 1861 zu Berlin erschien und auch den obigen Ausführungen zugrunde gelegt wurde. Sie umfaßt jedoch nur seine Jugend und Militärzeit und bricht kurz vor Erscheinen seines Romans »Henriette« ab. Die Übersicht über seine literarische Wirksamkeit mußte deshalb aus andern Quellen zusammengestellt werden; ein kleiner literarischer Briefwechsel, der sich in seinem Nachlaß findet und von Rellstabs Sohn, Herrn Professor Dr. Ludwig Rellstab, in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt wurde, hat mancherlei Anhaltspunkte für die obige Skizze geliefert. Rellstab verheiratete sich am 7. November 1834 mit Emma Henry aus Bromberg, mit der er in glücklicher, durch drei Kinder gesegneter Ehe lebte. Seine Gattin ist 1892 in Berlin gestorben; seine Tochter Henriette (geboren 1837) war mit dem Physiker W. Zenker verheiratet und starb schon 1880 in Berlin. Von den beiden Söhnen lebt der vorgenannte (1842 geboren) als Professor der Kaiserlichen Marineakademie und -schule in Kiel, der älteste, Ernst (geboren 1835), als früherer Versicherungsdirektor in Berlin.
Leipzig, am 1. September 1909
Dr. H. H. Honben
Zueignung.
An die Fürsten und Völker Europas.
Verwegenheit des Verfassers wäre es zu nennen, wenn er es wagte, nur auf sich selbst gestützt, seinem Werke eine Zueignung vorangehen zu lassen, welche sich fast an die ganze Mitwelt richtet. Aber nicht er in seiner
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