1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Komödien Ludwig Tiecks erinnert.
Rellstabs Hauptwerke sind drei umfangreiche Romane, mit deren Schöpfung er bewies, daß er sich trotz der zersplitternden journalistischen Tätigkeit immer wieder auf ein größeres Werk zu konzentrieren verstand. Bei dem frühern Soldaten, der während der Freiheitskriege groß geworden war, kann es nicht wundernehmen, daß diese drei Schöpfungen gewaltige Kriegsbilder aufrollen. Die erste, »Algier und Paris« (1830/31), spielt in der Zeit vor der Julirevolution, wo die Eroberung Algiers durch die Franzosen dem König Karl X. den Mut gab, die berüchtigten »Juliordonnanzen« zu erlassen; ihre Folge war die französische Julirevolution. Der Krieg gegen Algier bildet den ersten, die Straßenkämpfe in Paris den zweiten Teil des Romans. Auf diesem stürmischen Hintergrund sind Begebenheiten aufgetragen, die an phantastisch kühner Erfindung nichts zu wünschen übrig lassen.
Einen weitaus glücklichern Griff machte Rellstab mit seinem zweiten Roman »1812«, von dem noch ausführlicher zu sprechen sein wird. Ihm folgte der »Wildschütz« (Berlin, 1835), der mehr seinen Novellen zuzuzählen ist. Dann dauerte es fünfzehn Jahre, ehe er wieder zur Sammlung kam; 1850 begann er die größte Begebenheit der deutschen Geschichte für ein Romangemälde von ungeheuren Dimensionen zu bearbeiten. Nach siebenjähriger Arbeit veröffentlichte er 1857 unter dem Titel »Drei Jahre von Dreißigen« in fünf starken Bänden den ersten Teil einer Romantrilogie, die nicht weniger als den ganzen Dreißigjährigen Krieg behandeln sollte. Dieses Werk ist jedoch Fragment geblieben; ehe er zum zweiten Teil ansetzen konnte, nahm ihm der Tod die Feder aus der Hand. Immerhin erlebte der in sich abgeschlossene erste Teil, noch ehe die letzten Bände erschienen waren, eine zweite Auflage. Der Roman ist das Resultat einer gewaltigen historischen Forscherarbeit. Die Ereignisse zwischen dem Fenstersturz in Prag und der Schlacht am Weißen Berge, die den Krieg Böhmens mit Österreich blutig beendete, hat Rellstab überaus gründlich studiert und die Hauptschauplätze der Begebenheiten auf vielen Reisen besucht. Seine Vorliebe für kriegerische Ereignisse und ungeheuerliche Vorgänge konnte sich auf diesem Felde nach Herzenslust ausleben. Die Begebenheiten sind auch hier der eigentliche Gegenstand des Romans; in der Verknüpfung historischer Fakta und der Deutung geschichtlicher Symptome hat der Verfasser eine staunenswerte Virtuosität entwickelt. Auch in der Charakteristik hat er hier sein Bestes getan; die Hauptgestalten der kriegführenden Parteien, der Kaiser Matthias und sein Neffe Ferdinand II., auf der Gegenseite im besondern die Führer Graf Thurn und Mansfeld, treten kräftig in den Vordergrund. Alles atmet Leben und Bewegung; das rastlose, lärmende Treiben des Krieges erfüllt das ganze Buch, und die Mannigfaltigkeit grandioser historischer Bilder ist überwältigend. Die Fortsetzungen im gleichen Fortissimo zu halten, dürfte aber selbst Rellstab schwer gefallen sein. Heinrich Laube ist ihm wenige Jahre später auf diesen Spuren mit seinem neunbändigen »Deutschen Krieg« gefolgt. l
Das reifste und abgerundetste der Werke Rellstabs wurde sein Roman »1812«; hier ist seine poetische Kraft zum erfolgreichsten Ausdruck gekommen. Dieses Werk steht seinem Erleben am nächsten, es wuchs aus den furchtbaren Eindrücken empor, die sich dem Knaben eingeprägt hatten. Seit 1823 schon trug er den Plan dazu ernstlich mit sich herum; nach reiflicher Vorbereitung ging er 1831 an die Niederschrift und vollendete diese im Juli 1833. »Es ist das Hauptwerk meines Lebens«, schrieb er am 3. August dieses Jahres an seinen Verleger Brockhaus, »ich werde vielleicht einzelnes Bessere noch liefern, aber nichts mehr in diesem großen Zuschnitt.« Die ursprüngliche Anlage des Romans war noch weit umfangreicher als die schließliche Ausführung; sie sollte, wie die Vorrede besagte, das ganze Europa umfassen, soweit es damals von Kampf und Krieg bewegt wurde. Die gigantische Masse des Stoffes wuchs ihm aber über den Kopf, er mußte sich auf die Hälfte beschränken, und auch diese war nur zu bewältigen, indem die ursprüngliche Dreiteilung des Ganzen auf vier Bände ausgedehnt wurde. Gründliche historische Studien waren natürlich vorhergegangen; die »Geschichte Napoleons und der großen Armee während des Jahres 1812« vom Grafen Philipp von Ségur, die 1824 in Paris erschienen war, bot ihm die reichste Ausbeute
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