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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Verbrechen, die euer freches Volk in unserm Vaterlande begeht. Ich frage nach nichts mehr! Der Tod ist ein Augenblick, das Jenseits ist ewig. Morde mich auch, wenn du willst. Wir zittern nicht vor dem Tode! Ich, ein Mädchen, weiß zu sterben; glaubst du, unsere Männer wüßten es nicht? Segnen wird mich mein Bruder, daß ich's ihm erspare, sein Leben auf eine so schimpfliche Weise zu retten.«
    Beaucaire stand, von Grimm und Scham gefoltert, vor der edel zürnenden Gestalt; er scheute sich zu flüchten und wagte nicht zu bleiben. »Sie werden Ihre Raserei bereuen!« rief er endlich, da der Gartenarbeiter näher und näher herantrat, mit jener klanglosen Stimme unterdrückter Wut. Hierauf drückte er sich den Hut in die Augen und verschwand mit schnellen Schritten in den dunkeln Laubgängen.
    Marie hatte sich das weinende Antlitz verhüllt; nach einigen Augenblicken erhob sie es wieder und sprach, indem sie gen Himmel blickte: »Du, meine Mutter, die du dort oben in den Sternen weilest, du wirst mich trösten und beschützen, wenn ich nun ganz allein bin auf dieser Erde.« Erschöpft schwankte sie der Bank zu und setzte sich. Da trat der wohlwollende Alte zu ihr hin und fragte: »Habe ich unrecht getan, Euer Gnaden zu stören? Aber weiß Gott, ich hörte so heftig sprechen, daß mir bange wurde, es geschehe ein Unheil.« – »Nein, guter Alter,« erwiderte Marie, »ihr tatet recht wohl! Aber wolltet ihr mich jetzt wohl nach Hause geleiten? Ich bin so erschöpft; ich will's euch gern vergelten.« – »Mit tausend Freuden,« sprach der Greis, und Marie verließ, auf seinen Arm gestützt, mit wankenden Schritten den Garten.

Sechstes Buch.
Erstes Kapitel.
    »Zum Teufel, was gibt's schon wieder?« fuhr Bernhard, der, in seinen Mantel gehüllt, am Biwakfeuer lag, unwillig empor, als eine männliche Hand ihn aus dem Schlafe aufrüttelte, in den er erst seit wenigen Minuten gesunken war. »Ach, bist du's, Ludwig?« setzte er gleich darauf sanfter hinzu, indem er den Freund erkannte. »Schon zurück? Nun? Habt ihr Abenteuer gehabt in Witebsk?« – »Mancherlei Art,« antwortete Ludwig; »aber bist du nicht bös, daß ich dich so spät noch störe?«
    »Ich bin so müde nicht, daß ich nicht noch eine Stunde plaudern könnte. Erzähle denn.«
    »Rate zuerst, wen ich in Witebsk gesehen habe?«
    »Nun? den großen Mogul, oder den Papst, oder den König von England?«
    »Nein, sei ernsthaft, Bernhard!«
    »Das sage ich dir ; denn wie soll ich von den zehntausend Möglichkeiten die eine Wirklichkeit treffen, wenn mein Raten nicht ein Scherz sein soll. Also wen trafst du an?«
    »Ich ging an einem kleinen Häuschen in einer Quergasse vorüber, da hörte ich plötzlich eine weibliche Stimme angenehm singen. Erstaunt wandte ich mich um und sah in einem mit Blumen halb versetzten Fenster die junge Sängerin aus Warschau.« – »Françoise Alisette?« rief Bernhard einfallend und im höchsten Grade erstaunt. – »Dieselbe.« – »Bist du dessen auch gewiß? Hast du sie gesprochen?« – »Das nicht, denn sie zog sich schnell zurück, da sie mich erblickte. Doch bin ich meiner Augen sicher.« ,
    »Hm!« murmelte Bernhard vor sich hin, »sollten sich meine Vermutungen so vollständig bestätigen? Höre, Ludwig, ich möchte fast wetten, der Oberst Regnard steht auch in der Stadt mit seinem Regiment.«
    »Du irrst; zwar habe ich ihn angetroffen, doch weiß ich, daß sein Regiment in Ostrowno liegt,«
    »Pah!« rief Bernhard, »das sind fünf Stunden; die reitet man in zweien mit Bequemlichkeit.« – »Weißt du noch etwas?« fuhr Bernhard fort; »ich glaube, es ist gut, daß wir Jaromir nichts davon sagen, wenn er es nicht schon weiß.« – »Das glaube ich nicht; aber weshalb?« fragte Ludwig erstaunt.
    »Aus mancherlei Gründen. Einmal, glaube ich, ist Regnard eifersüchtig auf ihn, und das könnte unangenehme Händel geben; dann habe ich so eine kleine Vermutung, als ob der Oberst auch nicht unrecht hätte, nämlich soweit die schöne Alisette es verantworten müßte. Sie hatte schon zu Warschau so gewisse Blicke für Jaromir, die einem jungen, unerfahrenen Menschen wie er gefährlich werden könnten; daher ist Schweigen hier gut.« – »Wie du meinst«, gab Ludwig zu.
    Plötzlich unterbrach ein ziemlich naher Pistolenschuß das Gespräch der Freunde. Die ringsumher gelagerten Leute sprangen, denn man befand sich fast auf den äußersten Vorposten, rasch auf und ergriffen die Waffen, des Winkes gewärtig, sich zum Gefecht zu

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