1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Grafen. Ich werde euch zu euerm weitern Fortkommen behilflich hilflich sein. Diese Nacht müßt ihr hier im Lager verweilen, morgen aber geht ein Transport mit Kranken nach Wilna zurück, dem könnt ihr euch anschließen. Ich werde euch die nötigen Pässe dazu besorgen.«
Paul dankte mit freudigen Worten und noch freudigern Blicken; in Axiniens schüchterne Züge kehrte die Heiterkeit zurück. Erst jetzt schien Rasinski ihrer gewahr zu werden. Freundlich trat er auf sie zu und fragte sie russisch: »Und auch du willst nach Deutschland ziehen, und bist doch eine Tochter aus Ruriks Reich, wie ich aus deiner Tracht sehe?« Axinia schlug errötend die Augen nieder. »Es war der Wille der jungen Gräfin Feodorowna«, erwiderte sie. – »Und weshalb sandte die Gräfin dich nach Deutschland?« fuhr er nach kurzem Besinnen fort.
»Wir würden, meinte sie, dort glücklicher sein.«
»Jetzt? Es fragt sich; das Land ist auch nicht überreich an Glück. Ist die Gräfin Feodorowna die Tochter des Grafen Dolgorow?« – »So ist es, mein gnädigster Herr!« entgegnete Axinia, indem sie das Haupt bejahend und mit dem Ausdruck der Demut senkte. »In meiner Kindheit wurde ich als Gespielin der Gräfin mit ihr erzogen; ihr verdanke ich alles.« Hier wurde ihre Miene so bewegt, daß sie nicht weiter zu reden vermochte.
»Wenn du so an ihr hängst, weshalb verließest du sie, oder weshalb sandte sie dich fort?« Axinia stockte und errötete. »Ich verstehe,« fuhr Rasinski lächelnd fort; »je nun, es ist die Pflicht des Weibes, dem Manne zu folgen. Du hast wohlgetan. – Weiset diesen Leuten eine Stelle unten neben dem Hügel an, wo sie sicher übernachten mögen«, sprach Rasinski abbrechend und winkte mit der Hand.
»Nun, Freunde,« begann er, als sich die Ankömmlinge entfernt hatten; »morgen setzen wir uns wieder in Marsch, das hatte ich euch noch nicht gesagt. Ich erwarte jeden Augenblick Jaromir mit Depeschen aus Witebsk; dann werde ich euch sagen können, wohin wir unsern Weg zu richten haben. Denn ich glaube nicht, daß wir beim Gros der Armee bleiben. Es wird endlich Zeit, daß wir in Tätigkeit kommen.«
»Wahrlich!« rief Bernhard, »wenn der Feind uns standhalten will. Bis jetzt haben wir mit einem Schattenbilde gefochten. Wenn wir den Gegner dicht vor Augen hatten und ihm endlich wie Achill dem Hektor zurufen konnten: Steh und kämpfe – dann verschwand das Phantom wieder in die wüste Nacht. Ich gestehe, daß mich diese Art des Krieges bisweilen fast schauerlich berührt hat. Der größte Feldherr, das sieht man wenigstens, muß einen Feind haben, um ihn besiegen zu können.«
Es ist dies einmal die Form des Verteidigungskrieges, wenn das Terrain dem Angreifenden durch seine Ausdehnung ungünstig ist; schon die alten szythischen Bewohner dieses Landes führten ihren Krieg mit den Perserkönigen auf diese Weise«, antwortete Rasinski. »Ich war von Anfang an darauf gefaßt, denn ich kenne den Russen und sein Land. Aber das eben ist mein Trost. Hier ist noch nicht die Stelle, wo diesem Reich das Herz schlägt; halb fochten wir noch auf eigenem Grund und Boden, auf altpolnischem; auch Litauen gehorchte ja den Jagellonen. Dieser Boden ist dem Russen kein Heiligtum. Erst jetzt berühren wir seine Grenzen; hier beginnt sein Vaterland, seine Kirche. Gebt acht, hier werden Ruriks Söhne ihre Schwellen und Altäre beschützen; und je näher wir dem Sitz des heiligen Iwan, der ehrwürdigen Stadt Moskau rücken, je mächtiger wird sich das Volk gegen uns waffnen. Nicht alle Bewohner des Russischen Reichs haben ein Vaterland. Die Grenzprovinzen gleichen den Torschwellen und Vorsälen, wo das Heer der heimatlosen Sklaven gelagert ist. Diese gibt man leicht preis, doch im Innern des Hauses wohnen die Söhne desselben und sie werden den Altar kämpfend beschützen. Dann wird es an Schlachten, und ich hoffe an Siegen nicht fehlen.«
Man hörte einen Reiter im Galopp heransprengen. Es war Jaromir. Er überbrachte, rasch abspringend, Rasinski Depeschen, die dieser beim Schein der Flammen eilig durchlief, während Jaromir die Freunde begrüßte. »Morgen mit der vierten Stunde brechen wir auf. Gute Nacht denn; nutzt die Zeit der Ruhe, die uns bleibt, denn der morgende Tag fordert vielleicht angestrengte Kräfte.« Mit diesen Worten ging er in sein Zelt zurück, und die übrigen lagerten sich wieder an dem Wachtfeuer, wo sie bald in festen Schlaf sanken.
Als der Tag anbrach, befand sich Rasinski mit seinem Regimente schon auf
Weitere Kostenlose Bücher