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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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dem Marsche. Er zog auf einer langgedehntcn Anhöhe am Saume eines Fichtenwaldes dahin, der sich zu seiner Rechten weit ins Land hinein erstreckte, während sich zur Linken ein hügeliges, von Gebüsch durchschnittenes Terrain ausbreitete. Boleslaw, Jaromir, Ludwig und Bernhard ritten an seiner Seite. »Der Kaiser hat einen kühnen Entwurf gemacht,« begann Rasinski; »wie ihr seht, nehmen wir eine Richtung, die uns vom Feinde, der weit links bei Rudnia, und Inkowo sein Hauptquartier aufgeschlagen hat, entfernt. Wir werden über den Dnjepr gehen, dann, auf der linken Flanke von dem Flusse gedeckt, bis nach Smolensk vordringen, die russische Armee umgehen und uns mitten zwischen sie und Moskau hineinwerfen. Eine kolossale Kombination, die, wenn sie glückt, den ganzen Feldzug in einem Wurfe entscheiden muß. Was dem Marschall Davoust durch Schuld des Königs von Westfalen gegen Bagration fehlschlug, das soll hoffentlich jetzt gegen Barclay und Bagration zugleich gelingen. Unsere Aufgabe dabei ist die, die vorgesprengte streifende Kavallerie, die sich etwa doch noch auf unserer rechten Flanke befinden könnte, zu werfen und sie in solcher Entfernung zu halten, daß sie die Bewegung der Hauptarmee nicht zu früh erfährt.«
    Die Sonne war jetzt aufgegangen und warf ihre Strahlen in die weite Landschaft, die man von der Höhe übersehen konnte. »Seht ihr, wie die Kolonnen hervorbrechen?« sprach Rasinski und deutete links hinüber. »Hier vorn der schwarze Strom ist uns ganz nahe; dort jenseit hinüber erkennt man es an der Staubwolke, daß Kavallerie marschiert, und hinten an jenem Hügel, der zu entfernt ist, um die Truppen selbst wahrzunehmen, seht ihr doch die glänzenden Blitze der Waffen. In diesen Tagen kann sich viel entscheiden.« '
    Ludwig übersah die Gefilde, in denen sich die schwarzen Ströme der Völker bewegten, mit einem eigenen Gefühl. »Was sich hier bildet und entscheidet,« fragte er sich ernst, »wird es der Welt zum Heil oder zum Wehe gereichen? Wenn der gewaltige Geist, welcher die Massen in Bewegung setzt, hier, wie Alexander einst in Indien, das Ziel seiner Taten fände? Wenn er scheiterte an dem ungeheuern Unternehmen? Wenn die kolossale rohe Macht des Nordens ihr Übergewicht in Europa geltend machte? Oder wenn umgekehrt der Strom des Sieges fortbrauste bis in das Herz des alten Rußland, und Frankreichs Fahnen, auch auf dem Sitz der Zaren aufgepflanzt, herabwehten von den stolzen Zinnen des Kreml? Wäre es dann mit Deutschlands Selbständigkeit nicht am Ende? Müßte nicht alles dem französischen Übermute gehorchen? Würde der Name Vaterland nicht ein leerer Klang, ein hohler Schall für uns werden?«
    In diesen Betrachtungen unterbrach ihn Bernhard, der als Maler alle äußern Erscheinungen unter dem Gesichtspunkte eines Gemäldes auffaßte. »Was doch auch die toten Landschaften für einen eigentümlichen Reiz haben können,« redete er ihn an; »sieh nur, wie dieser blauschwarze Waldsaum sich mit seinen zarten Spitzen fein gegen den Himmel abzeichnet; diese traurige Einförmigkeit hat etwas eigen Ergreifendes, sowie auch die Wüste einen großartigen Eindruck macht. Und die weiten Waldstrecken, die sich dort unten durch das Land ziehen, die nackten Hügel dazwischen, auf denen das rote Heidekraut schimmert, der farblose Himmel, die langen grauen Wolkenstreifen – zuzeiten möchte ich dergleichen lieber malen als Schweizerlandschaften. So lag ich auch in Schottland an stillen heitern Herbsttagen gern auf den öden Heiden des Hochlandes und ließ die Wolken über mich dahinziehen.«
    »Solange der Mensch mit dem Schauerlichen und Düstern frei spielt, es von sich weisen kann, wenn er mag,« entgegnete Ludwig, »solange findet er ein ganz eigenes Behagen darin, die heitern Zustände des Lebens zu vermeiden. Doch wenn die strenge Notwendigkeit uns ihre ernsten Wege wandeln läßt, dann sehen wir das finstere Antlitz des Geschicks mit andern Augen an. Doch was ich sagen wollte«, brach er plötzlich ab. »Ja, was meinst du? Boleslaw scheint sehr trübe zu sein, wie er denn überhaupt, seit wir Warschau verlassen haben, täglich ernster wird.«
    »Und täglich schöner«, erwiderte Bernhard. »Sieh nur, wie edel diese bleichen Züge sind; welch eine stolze Stirn, auf der die düstern Schatten seiner Trauer schweben! Und der Glanz des schwarzen Haares, das dunkle Glühen des Auges, der feine Mund! Er ist der Orestes zu dem lebensfrohen Pylades Jaromir, das romantische Nachtstück zu seinem

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