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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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umschweben, ihm will ich mich anvertrauen.« Nach diesem festen Entschluß wurde ihre Seele wieder ruhiger.
    Der Tag verstrich, die neunte Stunde nahte heran. Marie ging auf ihr Zimmer, siegelte den geheimnisvollen Zettel, den sie erhalten hatte, ein und legte ein Blatt dazu, auf welches sie die Worte schrieb: »Dies soll mich rechtfertigen, wenn ein unwürdiger Verdacht mich trifft, retten, wenn mir Gefahr droht; es lehrt euch, wo ich bin.« Auf das Kuvert schrieb sie: »An meine Lieben! Doch nur dann zu eröffnen, wenn ich um Mitternacht nicht zurück bin.« Diesen Brief legte sie auf ihren Tisch und verließ dann, in einen Mantel gehüllt, tief verschleiert, leise das Gemach und das Haus, um sich auf der bestimmten Stelle einzufinden.
    Es war schon ganz dunkel und völlig einsam; sie bebte, aber sie blieb entschlossen. Schüchtern trat sie in die dunkeln Laubgänge ein; die bezeichnete Linde stand im einsamsten, entferntesten Teile des Gartens. Dies vermehrte ihre Besorgnisse. Ein Gartenarbeiter begegnete ihr und sah sie verwundert an. Plötzlich fiel ihr ein, daß sie sich den Beistand dieses Mannes sichern könne, ohne ihm irgend etwas zu entdecken. Sie wandte sich um, ging ihm nach und redete ihn an: »Mein Freund, wollt ihr ein gutes Trinkgeld, vielleicht noch mehr verdienen?«
    »Dazu bin ich jetzt und alle Tage bereit.«
    »So bleibt eine Stunde auf dieser Bank sitzen, oder verweilt doch ganz hier in der Nähe; doch sorgt, daß man euch nicht bemerkt. Nehmt dies als Angeld; wenn ich zurückkehre, erhaltet ihr das Dreifache. Hört ihr mich aber laut um Hilfe rufen, so eilt schnell nach der großen Linde dort unten an der Gartenmauer.«
    »Da wo der Herr im Mantel steht?« fragte der Arbeiter. – »Ganz recht«, erwiderte Marie nicht ohne Schreck. – »Hm! Hm! Euer Gnaden sollten lieber gar nicht hinuntergehen«, meinte kopfschüttelnd der Arbeiter. »Dem Herrn sind fremde Leute gerade so lästig im Garten, als sie Euer Gnaden nötig sein mögen. Er hat mir eben fünf Gulden geschenkt, damit ich aufhörte zu arbeiten und nach Hause ging.« »Es mag schon sein,« sprach Marie bebend, »ich will auch nicht, daß ihr dorthin kommen sollt; aber bleibt hier in der Nähe«; dabei gab sie ihm noch einige Geldstücke.
    Der Arbeiter schüttelte bedächtig den Kopf und schwieg einige Augenblicke; endlich sprach er: »Je nun, an mir soll's nicht fehlen, ich will schon hier bleiben und Euer Gnaden können sich auf mich verlassen. Aber nehmen Sie sich ja in acht; der Herr hat so ein Ansehen wie ein italienischer Spitzbube, die ich kennen gelernt habe, als ich mit dem Herrn Fürsten Clary als Bedienter in Neapel war. Doch vergeben Euer Gnaden nur mein Geschwätz; Sie werden ja wohl wissen, mit wem Sie zu tun haben.«
    »Jawohl, jawohl!« sprach Marie mit einem Tone, der das Gegenteil ausdrückte. Sie wankte in ihrem Entschlusse. Doch mit erneuter Kraft sprach sie zu sich selbst: »Du hast das Teuerste, deinen Ruf, bereits darangewagt, und solltest jetzt für dein Leben zittern? Torheit! Und was könnte dein Tod irgend jemand frommen? Es ist nichts; die Furcht ist eingebildet, deine Schwesterpflicht fordert diesen Gang von dir.«
    Raschen Schrittes setzte sie ihren Weg fort. Als sie in der Nähe der Linde war, sah sie eine dunkle, verhüllte Gestalt unter derselben auf und nieder gehen. Zögernd näherte sie sich. Der Unbekannte hatte sie jedoch kaum erblickt, als er rasch auf sie zueilte und sie mit den Worten anredete: »Ich freue mich, daß Sie den Mut haben, meiner Aufforderung zu folgen.«
    Ein eiskalter Schauer überlief Marien, als sie diese Stimme vernahm; es war Beaucaire, vor dem ein unüberwindlicher Widerwille sie vom ersten Augenblicke an gewarnt hatte. Doch faßte sie sich, weil sie deutlich empfand, es sei notwendig, sich diesem Manne gegenüber mit aller Festigkeit, mit allem Adel zu waffnen, den das Gefühl der Unschuld und des Rechts einem weiblichen Wesen verleihen kann. »Ich mußte in der Tat wohl,« entgegnete sie, »da Sie mich durch eine geheimnisvolle Drohung hierher schreckten, die mir einen gewagten Schritt zur Pflicht machte, den ich sonst um keinen Preis getan haben würde.«
    Beaucaire schien mißvergnügt über diese Antwort, die ihn durch die Bestimmtheit, mit der sie gegeben wurde, sehr weit von dem Ziele seiner Wünsche zurückwarf. Er fühlte, daß er keinen leichten Stand haben werde; deshalb be- schloß er mit der eisernen Stirn schamlosester Frechheit vorzudringen. »Sie nehmen,«

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