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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Auge spähte, tief unter sich, wie er im Sonnenschein aus der Ferne her schimmerte und leuchtete. Nunmehr blieb derselbe das Banner der Hoffnung, unter dem er seinen Einzug in Italiens Fluren hielt; er folgte ihm mit unablässiger Anstrengung; allein der vielfach gewundene Weg rückte ihm das Ziel seines Strebens bei jeder neuen Windung wieder aus dem Auge. Wie glücklich aber war er, wenn er nun die nächste Biegung erreicht hatte und es dann näher vor sich erblickte! So dauerte das neckende Spielwerk fort, bis er in die tiefern Regionen des Berges gelangte, wo der Pfad ebener und zuletzt für die schmalen Gebirgswagen fahrbar wird.
    Jetzt war er den Wandernden so nahe, daß er sie hätte anrufen können; der Weg schlug sich noch einmal um eine scharf vorspringende Felsecke; er eilte, sie zu erreichen, und hoffte von nun an der Wandergenosse der Reisenden zu werden. Doch als er umbog, sah er kaum hundert Schritte vor sich ein mit Reben dicht umsponnenes Häuschen, vor dessen Tür zwei Sesselwagen hielten, wie man sich deren hier im Gebirge zu bedienen pflegte. Der Führer, welcher das Maultier der holden Unbekannten geleitet hatte, half derselben soeben absteigen, und ein ältlicher Herr bot ihr sofort den Arm, um sie an den char à banc zu führen. So sollte sie in demselben Augenblicke, wo Ludwig sie zu erreichen hoffte, ihm ganz entrissen werden? Zu lange hatte seine Phantasie sich mit dem reizenden Abenteuer beschäftigt und sich romantische Zauberschlösser gebaut, als daß er diesen Raub an seinem eingebildeten Glück so leicht hätte ertragen können. Fast bestürzt, eilte er hastig vorwärts; nur einmal wollte er das Antlitz des lieblichen Genius sehen, der ihn an wunderbaren Zauberfäden in das Land der Künste und der Schönheit eingeführt hatte. Dennoch wäre sein Bestreben vergeblich gewesen, hätte nicht ein Zufall, in dem er einen neuen Wink des Schicksals erkennen wollte, ihm Beistand geleistet. Plötzlich sah er nämlich, trotz seiner Eile, etwas Glänzendes im Wege liegen. Es war ein Armband mit einem goldenen Schloß. Entzückt hob er es auf, weil dieser Fund ihm die Veranlassung bot, dem Wagen, der schon davonzurollen drohte, ein lautes Halt nachzurufen. Zugleich winkte er mit der Hand zum Zeichen, daß er etwas wolle. Die Führer, welche die Reisenden begleitet hatten, wandten sich um und kamen ihm entgegen; er aber eilte hastig an ihnen vorüber und an den Wagen, wo die verschleierte Dame saß. »Sollte ich so glücklich sein,« redete er sie in der Gewohnheit, seine Muttersprache zu gebrauchen, deutsch an, obgleich er sie fortdauernd für eine Engländerin gehalten hatte; »sollte ich so glücklich sein, Ihnen ein verlorenes Gut zurückstellen zu können?« Dabei reichte er ihr das Armband dar. Die junge Dame warf einen überraschenden Blick auf den Finder und dann auf die eigene Hand, wo sie erst jetzt die leere Stelle entdeckte. »Es ist in der Tat das meinige,« erwiderte sie; »ich danke Ihnen sehr.« Der Klang dieser Worte überraschte Ludwig auf ganz eigene Weise, denn sie wurden zwar geläufig und mit ungemeinem Wohllaut, aber doch mit Beimischung eines fremdartigen Akzents, der sogleich die Ausländerin verriet, gesprochen. Er fühlte, daß er errötete, und hob daher das Auge nur scheu zu der Sprechenden empor, die eben, was sie schon früher, als Ludwig herantrat, tun wollte, den Schleier unbefangen zurückschlug. Als er das holde Antlitz so plötzlich unverhüllt erblickte, brachte der milde Glanz ihrer Schönheit ihn in die äußerste Verwirrung. Es war ihm, als sei plötzlich eine Heilige vor ihn getreten, so durchdrang ein Gefühl süßer Beklemmung und Ehrfurcht seine Brust. Ihr blaues Augenpaar, von langen Wimpern beschattet, weilte mit dem Ausdruck der Unschuld und Güte auf ihm. Ein freundliches Lächeln schwebte ihr um die Lippen, und ein so sanfter, edler Reiz waltete in ihren Zügen, daß Ludwig von überwältigender Rührung unwiderstehlich ergriffen wurde. Vergeblich suchte er ein Wort der Erwiderung; zu dem Erröten der Überraschung gesellte sich noch das der Verlegenheit. Als berühre der Widerschein seiner Glut das Antlitz der Unbekannten, überflog auch ihre Wangen jetzt ein flüchtiger Rosenschimmer; sie verbeugte sich, freundlich, aber befangen grüßend. Der Herr neben ihr zog seinen Hut ab, und der Wagen rasselte davon. Bestürzt folgte ihm Ludwig mit unverwandten Blicken und bemerkte es kaum, daß noch eine zweite, ältere Dame, ebenfalls in männlicher

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