Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
so daß das betäubende Rasseln des Wagens aufhörte. Da ergriff die schöne Verschleierte mit rascher Heftigkeit Ludwigs Hand, drückte sie warm und innig mit ihren beiden und sprach flüsternd aus beklommener Brust: »Sie sind mein Retter! Der Retter des Teuersten, was ich auf dieser Erde besitze!« Und wie erschöpft von der tödlichen Angst, von dem langen Zurückpressen der heftigsten Empfindungen in ihrer Brust, stieß sie schwer aufatmend ein gepreßtes Ach! aus, sank der ihr gegenübersitzenden Begleiterin an die Brust, umfaßte sie mit beiden Armen, verbarg das Haupt an ihre Schulter und brach in einen unaufhaltsamen Strom von Tränen aus.
    Die ältere Begleiterin, obgleich sie in ihrer ganzen Haltung etwas Kaltes, Gemessenes hatte, schien jetzt doch auch bewegt. Sie suchte indessen die Weinende zu beruhigen, bediente sich aber dabei einer fremden Sprache, die Ludwig nicht verstand und sie auch nicht für undeutlich ausgesprochenes Englisch halten konnte. Die Unbekannte richtete sich wieder auf, schlug den Schleier zurück, um freier Luft zu schöpfen, richtete ihr blaues Auge gen Himmel und faltete die Hände über der Brust zu einem stummen Dankgebet. Ludwig, der sich gleichfalls im Innersten bewegt fühlte, wollte ihre heilige Rührung nicht unterbrechen und sah sie lange und erstaunt an. Sie erwiderte den Blick mit offener, reiner Gesinnung: »Wie soll ich Ihnen je vergelten!« sprach sie. »Vergelten?« entgegnete Ludwig lebhaft, aber mit inniger Betonung. »Das Schicksal bereitet mir auf die wunderbarste Weise ein Glück, das ich niemals zu träumen gewagt hätte, und Sie sprechen von Vergeltung? Etwa weil ich von Ihren Lippen den süßen Namen Bruder hörte? Was habe ich denn für Sie getan? Ich weiß nur, daß Sie einem Fremden, Unbekannten plötzlich, wie eine Göttin aus himmlischer Höhe, das überschwenglichste Glück bereitet haben!« – »Oh, Sie wissen nicht,« entgegnete sie, »was Sie für mich getan durch Ihr schnelles und gewagtes Verstehen!« – Sie wollte fortfahren, doch wurde sie durch den alten Diener unterbrochen, der sich umsah und einige fremdartige Worte zu ihr sprach, die sie ebenfalls in einer Ludwig völlig unbekannten Sprache erwiderte, und über welche er auch, da nur so wenige, noch dazu fast unverständlich leise Worte gewechselt wurden, gar keine Mutmaßung gewinnen konnte. Einigemal glaubte er spanische, dann wieder polnische Wortformen zu hören. Der Wagen rollte jetzt wieder rascher dahin, und das Gespräch war abermals unterbrochen. Indes mußte bald das fortwährende Ansteigen der auf der italienischen Seite ungleich steilern Simplonstraße beginnen; Ludwig setzte daher seine Wünsche um Enträtselung dieser Geheimnisse bis dahin aus.
    Man erreichte eine freie Höhe, wo der Weg sich so bog, daß man noch einmal den Blick auf Italien zurückwerfen konnte. Das romantische Land lag in der Purpurglut der Abendröte da; die dunkeln, waldigen Vorgebirge der Alpen streckten sich weit in die blühenden Ebenen hinein; schäumende Bäche zogen silberne und goldene Straßen durch die Täler; das weiße, glänzende Städtchen am Fuße des Gebirges leuchtete hell auf dunkelm Grunde; die Ferne verschwand in purpurner Dämmerung und ließ keine deutlichen Umrisse mehr erkennen. »Leb' wohl!« sprach Ludwig bewegt. Auch seine Gefährtin wandte das schöne Antlitz noch einmal dem Eden zu, das sie verlassen mußte, eine sanfte Rührung verklärte ihre Züge; die Lippen schienen über eine Träne zu lächeln, die den blauen Kristall des Auges plötzlich mit feuchtem Schimmer überglänzte. »Leb' wohl«, wiederholte sie mit süßem Wohllaut und winkte leicht mit der Hand hinüber. Es war ein bewegter, aber kein tiefschmerzender, kein zerreißen- der Abschiedsgruß. – Da die Straße nunmehr ganz steil anstieg, so daß der Wagen sich nur langsam fortbewegte, trat endlich der Augenblick ein, wo sich Ruhe genug zu einem Gespräche fand. Ludwig wollte nun seine Frage über das seltsame Ereignis wiederholen, als seine Gefährtin schon unaufgefordert begann:
    »Sie müssen ganz erstaunt sein über das, was Ihnen begegnet ist; doch die jetzt alle Länder und Völker erschütternden Verhältnisse führen auch den einzelnen oft in verhängnisvolle, seltsame Lagen. Eine solche ist die meinige. Schon gab ich mich verloren, ach und ich zitterte für ein teureres Gut als mein Leben, als der Himmel Sie zu meinem Retter sandte. Werden Sie mir aber Ihren Beistand auch ferner leisten wollen?«
    »Bis

Weitere Kostenlose Bücher