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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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ihren Schmuck und das Notwendigste zusammenraffte, dessen sie auf der Flucht bedurfte. Das Getümmel hatte die Ohnmächtige aus ihrer Betäubung erweckt. Mit Fassung – denn äußerer Schrecken übte wenig Gewalt über sie, die jetzt nichts mehr fürchtete – hatte sie bereits ihre Kleidung geordnet, ihre wichtigsten Besitztümer – es waren nur Papiere und die Bildnisse der Eltern – zu sich genommen. Rasch warf sie den Mantel über und eilte festen Schrittes an der Seite des Vaters und des Gemahls in den Saal hinab, wo man die Gräfin antraf. Als man die Hausflur erreichte, tobten die Anstürmenden so gewaltig gegen das Tor, daß man in jedem Augenblicke ihres Eindringens gewärtig sein mußte. Doch konnten die Flüchtenden nicht sogleich den Hofraum erreichen, denn eine große Anzahl von Dienern und Knechten, die ihre Besonnenheit wiedergewonnen hatten, schleppten eben Heu, Stroh und Reisig in großen Bündeln heran, um den Torweg zu stopfen. »Wir wollen sie durch einen Feuerwall von uns trennen«, rief Dolgorow und schoß ein Pistol in das trockene Stroh ab, daß es sogleich Feuer fing. »Nur mehr Stroh, Holz und Heu heran, daß der Rauch und Qualm die Hunde ersticke, wenn sie in das Schloß eindringen wollen!« rief der erbitterte Russe, und die Diener töteten im Eifer fast die Flamme durch das rasch aufgeworfene Brennmaterial. »So, recht, ihr Bursche,« rief der Graf, »zündet das ganze Schloß an; da wir es verlassen müssen, wollen wir es wenigstens dem Feinde nicht gönnen.«
    Da er sah, daß sein Befehl erfüllt wurde, eilte er nun dem Garten zu, durch den Ochalskoi und die Frauen bereits flüchteten, um durch dessen Hinterpforte den Wald zu gewinnen. In wenigen Minuten hatten auch die zurückgebliebenen Diener die Herrschaft wieder erreicht, und als man sich umsah, stieg bereits eine schwarze, dichte Rauchsäule im Schloßhofe empor. »Sie werden nicht lange im Schlosse hausen,« rief höhnisch jubelnd einer der Knechte, »denn in jedem Stalle brennt ein Bund Stroh. In zehn Mimten muß die Flamme hoch über die Schloßtürme zusammenschlagen. Sie soll uns, denke ich, auch ein Weilchen im Walde leuchten. Schade nur, daß wir die Pferde nicht mitnehmen konnten, aber dazu war nicht Zeit, vollends zum Satteln und Zäumen!«
    »Schweigt jetzt,« gebot Dolgorow; »unsere Flucht sei so still als möglich.« Leise, aber mit schnellen Schritten eilten die Fliehenden vorwärts. Noch hatten sie nicht die Grenzmauer des Parks erreicht, als schon die rote Flamme hell durch die Bäume des Gartens blitzte. Durch die kleine Hinterpforte gewann man das Feld und eilte auf einem schmalen Pfade dem nahen Walde zu. Eben hatte man den Saum desselben erreicht, als eine Reiterschar im gestreckten Galopp um die Gartenmauer sprengte, um den Flüchtigen nachzusetzen. Vollen Laufes eilten diese dem Walde zu, doch die Reiter sprengten ihnen mit verhängten Zügeln nach, und noch ehe der sicher liegende Zufluchtsort erreicht war, pfiffen Pistolenkugeln durch die Luft und gleich darauf schwirrten schon die blinkenden Säbel über den Häuptern der Fliehenden.
    Indessen hatte Rasinski mittels zweier rasch herbeigeschaffter Baumstämme das Tor des Schlosses gesprengt. Sowie es sich öffnete, drang ihm ein erstickender, funkensprühender Qualm entgegen. Doch plötzlich fuhr der Sturmwind durch die ihm geöffnete Bahn und jagte die Flamme hineinwärts, gegen Hof und Garten zu, und das glimmende Heu, Stroh und Reisig wurde von dem heftigen Luftstrome mit fortgetrieben; so bedurfte es keines künstlichen Mittels, um die Bahn zu brechen. In zwei Minuten hatte der Sturm es schon getan, so daß nur noch etwas Rauch und Asche in dem Vordergebäude des Schlosses die Spuren des angelegten Feuers verriet. Unverzüglich drang daher Rasinski mit seinen Scharen ein und rief: »Besetzt alle Eingänge! Laßt niemand hinaus. Boleslaw, du reitest links mit deiner Schwadron um die Schloßmauer, Jaromir rechts. Alle Gefangenen werden hierher gebracht. Niemand reite ins Dorf! Das Schloß ist der Sammelplatz für uns.« Somit sprang er vom Pferde und schritt hastig, von dem Boten, von Ludwig, Bernhard und mehreren Offizieren und Reitern begleitet, die Stiegen hinan, um das Innere des Schlosses zu durchsuchen. Leicht drang er durch die Reihe der Gemächer, in denen alle Türen offenstanden, alles die schleunigste Flucht der Bewohner verriet. Unzufrieden verweilte er endlich in dem großen Saale, indem er verdrießlich rief: »Sollte es doch

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