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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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bin gefaßt. Verlaßt mich, mein Vater; aber seht mich morgen noch einmal, bevor ich dieses Schloß vielleicht auf ewig verlasse.« Sie reichte ihm die Hand. Gregor legte segnend die Rechte auf ihr gebeugtes Haupt und schied dann in schweigender Rührung.
    Feodorowna bedurfte noch einiger Augenblicke, um sich soweit zu sammeln, daß sie wieder in der Gesellschaft erscheinen könne; eben wollte sie das Gemach verlassen, als die Tür desselben sich öffnete und Ochalskoi eintrat. Erschreckt wich sie unwillkürlich einen Schritt zurück. Doch mit zuvorkommender Gewandtheit trat Ochalskoi ihr entgegen, küßte ihre Hand und sprach: »Habe ich Sie erschreckt, Liebe? Doch Sie werden es mit gewiß verzeihen, wenn meine Sehnsucht mich trieb, Sie aufzusuchen. Fast seit einer Stunde vermißt man Sie. Ich kann es nicht tadeln, daß Sie die Gesellschaft fliehen; aber Sie werden begreifen, daß mich dieselbe Neigung treibt. Feodorowna! Die glückseligste Stunde meines Lebens hat geschlagen! Ich schließe die Schönste, die Beste, die Liebenswürdigste ihres Geschlechts in meine Arme. Die Scheidewand der äußern Verhältnisse, die uns trennte, ist nun gefallen; werden auch Sie nun ganz mit Liebe die Meinige sein?« Er hatte sie bei diesen Worten vertraut umfaßt und küßte ihr die bleichen Lippen und Wangen. Zitternd vermochte sie weder zu widerstreben noch auf seine zärtlichen Worte zu antworten; verstummend duldete sie die Liebkosungen, zu denen er berechtigt war. »Wenn du willst, Feodorowna!« fuhr er vertrauter fort, »so ist der Augenblick unserer Vereinigung da. Wir müssen die raschen Minuten unsers Glücks einer eisernen Zeit so flüchtig entreißen, daß es grausam wäre, sie nur um einen einzigen Augenblick zu verkürzen. Holde, Geliebte, vermöchtest du das? Wir sind in dem vertrauten Heiligtum der Liebe, niemand wird uns mehr unterbrechen. Die Mutter selbst hieß mich dich aufsuchen. Die Gäste haben soeben das Schloß verlassen. Nur die Landleute und die Dienerschaft feiern jetzt noch auf ihre Weise bei Tanz und Spiel den Tag unsers Glücks – bereits habe ich auch Jeannetten hinabgesandt; oder bedürftest du noch etwas? Du Süßeste, es ist nur eine kurze Nacht, die wir dem strengen Schicksal rauben, das uns morgen schon wieder trennt! Nicht wahr, du heißest mich nicht wieder gehen?«
    Die Beklemmung raubte der Unglücklichen die Sprache. Ochalskoi hielt ihr Schweigen für bräutliches Verschämen, ihr stummes Dulden für liebendes, nicht mehr widerstrebendes Hingeben, das krampfhafte Pochen ihrer Brust für die Wallung selig überdrängender Liebe. Heftig preßte er seine brennenden Lippen auf ihre erbleichenden und schloß sie mit der Rechten fest an seine Brust, während er mit der Linken, wie im süßen Spiel und Dienst der Liebe, ihre reichen Flechten löste. Mit schon weichenden Kräften suchte sich Feodorowna in betäubter Angst seiner Umarmung zu entwinden. Er hielt dies für ein Widerstreben der jungfräulichen Scheu, da die Kerzen noch auf ihrem Tische brannten. »Ich verstehe dich, holdseliges Mädchen,« flüsterte er, »und deine stumme Lippe ist süß beredt! Nur im heiligen Dunkel duftet die zarte Nachtblume der Liebe.« Mit einer raschen Bewegung löschte er die Kerzen und zog die halb Ohnmächtige zu sich in den Schoß, indem er sich auf ihr Ruhebette niedersetzte. »Das Brautgemach ist bereit, Feodorowna; umsonst ist dein scheues Widerstreben. Jetzt darf mir kein Sterblicher, kein Gott mehr das süße, heilige Recht rauben, diese holde Rose zu brechen, für mich zu brechen! Fliehe, du schüchternes Reh, verbirg dich in die weiche seidene Hülle des Lagers, das uns beide umfangen soll, fliehe, aber ich folge dir; zwei Minuten und wir sind auf ewig vereint.«
    Hier ließ er die angstvoll sich Sträubende aus seinen umschlingenden Armen los. Sie wollte ihm entfliehen, aber sie wußte nicht mehr, was sie tat; bebend schwankte sie der Tür des Brautgemachs zu, öffnete sie, aber mit einem lauten Schrei fuhr sie zurück und sank bewußtlos auf den Boden nieder. Ochalskoi sprang, selbst erschreckt, hinzu, denn indem Feodorowna die Tür geöffnet hatte, sah er ihre Gestalt von dunkelroter Glut beleuchtet, und ein breiter blutiger Feuerschein fiel in das Zimmer. »Tod und Hölle, was ist das?« rief er, als ihm der glühende Widerschein aus dem Nebengemach entgegendrang. Es war das brennende Smolensk, dessen Flammen eben gewaltig durch die schwarze Decke des Rauchs brachen, die sie solange verhüllt

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