1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
fehlgeschlagen sein? Ich fürchte, das brennende Smolensk hat uns um die Beute betrogen und die Hochzeitsgäste zu früh auseinander gejagt!«
Der Bote zuckte die Achseln und erwiderte: »Meine Schuld ist es nicht, Herr Oberst; ich hatte gut berichtet. Wäre die Festung nicht in Brand geraten, so würden wir im Schloß gewesen sein, ehe ein Mensch unsere Gegenwart geahnt hätte, und die Generale sowie sämtliche andere hohe Personen wären unsere Gefangenen gewesen.«
»Ihr habt euern Lohn verdient,« erwiderte Rasinski, »nehmt.« Er warf ihm eine Börse mit Gold hin, die der Bote begierig einsteckte.
»Wenn wir jetzt nur etwas Infanterie und ein paar Kanonen hätten,« sprach Rasinski gegen die Offiziere gewendet, »so würde ich mich keinen Augenblick besinnen, damit der Armee auf die Arrieregarde zu fallen und ihr durch einen unvermuteten Angriff wenigstens einen Schrecken einzujagen. Doch so ist es nicht geraten, etwas weiter hinein ins Land zu unternehmen. Die Infanteriepatrouillen und der Pulk Kosaken, auf den wir an dem Dorfe stießen, muß doch Lärmen gemacht haben, und leicht dürfte eine überlegene Masse gegen uns anrücken, die uns bei dem einzigen schmalen Pfade des Rückzuges, den wir haben, höchst verderblich werden könnte. Ich bin also der Meinung, wir lassen zur Versammlung blasen, ziehen unsere detachierten Trupps wieder ein und gehen so still wieder über den Fluß, als wir gekommen sind.« Die Offiziere stimmten ein.
In kurzer Zeit kehrte Boleslaw, ohne auf etwas Merkwürdiges gestoßen zu sein, mit seinen Reitern zurück, bald darauf auch Jaromir. Der letzte brachte einige Gefangene von der Dienerschaft des Grafen mit. »Ich stieß,« berichtete er, »hart am Wald auf Fliehende. Es waren die Bewohner und Diener des Schlosses und einige Frauen dabei. Wir sprengten schnell auf sie ein; ein Teil flüchtete, der andere leistete Widerstand. Beim Glanz der Flammen, die von dem Schloßhofe herüberschlugen, bemerkte ich einen Offizier, der ein junges Frauenzimmer auf seinen Armen in das dichte Gebüsch, wohin unsere Pferde nicht vordringen konnten, zu tragen suchte. Rasch sprang ich ab, um ihn zu erreichen; als ich mich durch das Gehölz arbeitete und ihm nahe kam, setzte er die Dame auf den Boden und wandte sich mir entgegen. Ich rief ihm zu sich zu ergeben, doch er schoß nach mir, fehlte aber. Sogleich erwiderte ich den Schuß: er stürzte nieder. Eben wollte ich zuspringen, als einige Russen sich zwischen ihn und mich warfen und mich zurückdrängten, so daß ich fast von ihnen überwältigt worden wäre. Zum Glück erreichte ich noch eine freie Stelle, wo meine Leute mir rasch beispringen konnten. Sie arbeiteten mich los und wir machten drei Gefangene. Ihrer Aussage nach war der Getroffene der Fürst Ochalskoi, der sich heute mit der Tochter des Grafen Dolgorow, dem dieses Schloß gehört, vermählt haben soll.«
»Wäre uns wenigstens der eine Fang geglückt,« rief Rasinski unmutig aus; »doch schelte ich dich nicht deshalb, Jaromir, denn du hast mehr als deine Pflicht getan«, setzte er wohlwollend hinzu. »Aber das Glück hat uns nicht genug begünstigt! Laßt uns jetzt wieder aufbrechen, damit uns das Schicksal nicht gar noch einen ärgern Streich spielt!«
Nachdem man sich überzeugt hatte, daß unter den Gefangenen kein einziger von Bedeutung war, entließ man sie unter der Drohung, sie niederzuschießen, wenn sie sich wieder ergreifen ließen. So suchte Rasinski es zu verhüten, daß man seinen Rückweg ausspürte, weil er in dem Augenblick, wo er über den Dnjepr zurückging, durch einen Angriff in die mißlichste Lage kommen konnte. Auch wollte er die Leute bei der absichtlich ausgesprengten Vermutung lassen, daß er einen Rückhalt an einem starken Korps habe, welches in der Nacht,über den Dnjepr gegangen sei.
So setzte man sich denn wieder in Marsch, indem man die brennenden Ställe und Scheunen den Flammen überließ. Erst als sie wieder über die Furt des Dnjepr setzten und am Ufer desselben dahinzogen, bemerkte Rasinski, daß der alte Petrowski und Bliski, ein gewandter, tapferer Reiter, fehlten. Voll Besorgnis um sie sandte er Boleslaw mit einer kleinen Mannschaft zurück, um sie aufzusuchen. Zwei Stunden harrte er der Rückkehr desselben; endlich kam er, aber seine Bemühungen waren vergeblich gewesen. Die beiden wackern Kameraden schienen verloren. »Sollten wir diese beiden Tapfern zum Opfer bringen müssen?« rief Rasinski, und düstere Falten zogen sich um seine
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