Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
Stirn. »Freunde, laßt uns noch hoffen! Vielleicht sind sie nur versprengt und finden sich wieder zu uns. Wir müssen nun die Nacht schon vollends darangeben und wollen daher ganz langsam weiterziehen und von Zeit zu Zeit Zeichen geben. Hier sind wir ja in Sicherheit.«
    So geschah es; die treuen Kriegsgenossen gehorchten gern, denn das wahrscheinliche Los ihrer Kameraden erfüllte sie mit stummer Trauer. Schmerz und Ingrimm mischten sich in ihrer Brust; still bewegte sich der Zug weiter am Ufer des Flusses dahin.
    »Horch! Was war das?« fragte Rasinski den neben ihm reitenden Boleslaw. »Rauscht es nicht im Fluß? Es war, als ob am andern Ufer jemand hineinspränge. – Halt!« Sie lauschten mit scharfem Ohr. »Wahrhaftig, es schwimmt jemand herüber,« sprach Boleslaw leise; »sollen wir anrufen?«
    »Wart noch ein wenig, bis wir genauer sehen; man kann nicht wissen, was es ist, denn wir sind jetzt schon dicht an der Festung. – Es sind zwei Schwimmer!« – »Wer da? Halt! Antwort!« – »Gut Freund«, antwortete Petrowski, und alles jauchzte auf vor Freude. Zwei Minuten später erreichten sie das Land. »Nur keine Umarmung!« rief Bliski, einige Kameraden drollig abwehrend; wir sind von oben bis unten voll Schlamm und Entengrütze. Brr! das Bad war frisch.«
    »Woher kommt ihr zu Fuß? Redet, erzählt!« fragte Rasinski, der ihnen entgegengesprengt war. – »Bliski war mein Retter!« fing Petrowski an. – »Pah, laß mich erzählen«, unterbrach ihn der muntere Schwarzkopf Bliski. »Er stürzte, als wir nach dem Schloß zurückreiten wollten; drei russische Spitzbuben, die sich im Busch verkrochen hatten, sprangen daraus hervor und fielen über ihn her, um ihn zu plündern. Zum Glück sah ich's und fuhr unter sie. Doch einer schlug meinen Gaul mit einem Knüttel über die Nase, daß er scheu auffuhr und mich in den Sand setzte. Desto besser, dachte ich, und war schnell auf den Füßen. Gegen zwei hielten die Schufte nicht aus; aber die Pferde waren ins Feld gelaufen. Wir wußten nicht, ob das Krüppelholz nicht noch voll ähnlicher Früchte stecke, und suchten daher das Schloß zu Fuß zu erreichen, in der Hoffnung, unsere Tiere würden wohl den andern nachgelaufen sein. Doch da schnitt uns flüchtendes Gesindel aus dem Dorfe den Weg ab. Wir mußten in den Wald und kreuzten im Dunkel lange hin und her; die brennenden Dächer von Smolensk dienten uns jedoch zum Führer. Plötzlich stießen wir auf einen großen Weg, den ich gleich für die Straße nach Moskau erkannte, denn ich bin lange in Rußland gewesen und weiß hier Bescheid. Indem wir nun aus dem Gebüsch treten wollen, sieht Unteroffizier Petrowski zum Glück einen Trupp Reiter herankommen. Wir schnell unter das Birkengesträuch geduckt und keinen Laut von uns gegeben. Kaum waren die Reiter vorbei, so hörten wir das Rasseln von Kanonen, und gleich darauf sahen wir Artillerie anrücken. Es waren gegen hundert Geschütze und Pulverwagen, auch anderes Fuhrwerk in Menge; dann kam Infanterie, in langen dichten Kolonnen, dann wieder Kavallerie, kurz ein ganzes Armeekorps, das über eine Stunde lang an uns vorüberzog. Endlich wurde das Terrain frei, wir brachen hervor und sahen uns um; eine Zeitlang folgten wir der Straße, dann schlugen wir uns links und erreichten den Dnjepr in fünf Minuten.«
    So voller Freude Rasinski auch war, seine Leute gerettet zu sehen, so erregte doch Bliskis Erzählung seine Aufmerksamkeit noch in einer andern Weise. Er schöpfte nämlich die fast zur Gewißheit gewordene Vermutung, daß wenigstens ein Teil der Garnison, vielleicht aber sogar die ganze, aus der Festung abgezogen sei. Deshalb beschloß er, den Versuch zu machen, durch die Wasservorstadt, die der Kavallerie zugänglich war, in die Stadt einzudringen, um der erste zu sein, der den offenen, wenngleich jetzt gefahrlosen Vorteil benutzte. Er befahl daher, in größter Stille vorzurücken, und hielt sich fortwährend dicht am Flusse. So erreichte er die ersten Häuser, ohne nur auf eine Schildwache zu stoßen. Eben begann der Tag zu grauen, als er in die Gassen einritt. Kein Laut, keine Spur verriet, daß noch Bewohner in dem halb zerschossenen, halb brennenden Steinhaufen verweilten. Man erreichte eine Quergasse; voll Erstaunen sah Rasinski auch durch diese Reiter hereinkommen. Sie waren von dem Korps des Fürsten Poniatowski; man begrüßte einander in froher Überraschung und setzte den Weg auf verschiedenen Wegen fort. Rasinski ritt dicht an dem Hauptwalle hin.

Weitere Kostenlose Bücher