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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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hatte. Die Festung lag gerade den Fenstern des Brautgemachs gegenüber; die Vorhänge waren noch nicht herabgelassen. Ochalskoi hob die ohnmächtige Feodorowna empor, hielt sie in seinen Armen und suchte sie zu beruhigen. »Fasse dich, Teuere! Es ist eine furchtbare Brautfackel, die uns leuchtet, aber doch soll sie unsern holden Bund nicht stören! Die Zeit wird kommen, wo wir die Fackeln der Rache schwingen!«
    Feodorownas Auge blieb geschlossen. Ochalskoi wußte nicht, ob er Hilfe rufen oder allein den Versuch machen solle, sie zu wecken. Der dunkelrote Widerschein der Feuersbrunst verhüllte die Todesblässe der Ohnmächtigen. Sie schien wie vom Rosenschimmer des Abends bestrahlt. Ochalskois Glut entzündete sich mächtiger an dem reizenden Anblicke. »Du wirst an meiner Brust erwachen, Süße«, sprach er, halb zu ihr flüsternd, halb zu sich selbst, und verlor sich in dem Anblicke ihrer Schönheit. »Ich tue, was ich darf«, rief er stammelnd, faßte sie in seine Arme und trug sie auf das bräutliche Lager. Mit bebender Hand löste er den Gürtel ihres Gewandes und öffnete die Busenschleifen, damit sie frei atmen sollte. »Feodorowna, erwache,« rief er, indem er glühende Küsse auf die hervorwallende Brust drückte; »oder nein, bleib in dieser reizenden Ohnmacht, bis du in meiner Umarmung zu einem neuen Leben erwärmt bist!« In diesem Augenblicke fielen drei Schüsse ganz in der Nähe.
    »Was war das?« rief Ochalskoi und sprang auf, indem er die Geliebte losließ. Er riß hastig das Fenster auf und blickte hinaus. Der Ruf verworrener Stimmen und gleich darauf eine unregelmäßige Salve von Gewehr- und Pistolenschüssen, die aber von einer bedeutenden Anzahl unfern Kämpfender herrühren mußte, drang durch die Stille der Nacht in sein Ohr. »Überfall! Verrat!« rief er wild. »Tod und Verderben, und in dieser Stunde!« Mit diesen Worten sprang er heftig nach der Tür und stürzte hinaus. Im Schlosse herrschte schon ein unbeschreibliches Getümmel. Dienerschaft und Landleute waren zuerst durch den Ton der Sturmglocke, die die Feuersbrunst anzeigte, im Tanze gestört worden. Jetzt hatte man die krachenden Schüsse gehört und wähnte den Feind schon in den Mauern des Schlosses. Auf den Gängen und Treppen, in der Hausflur, in den Gemächern rannten Knechte und Mägde, Spielleute, Bauern und Landmädchen im verworrensten Getümmel durcheinander.
    »Verrammelt die Tür!« rief Dolgorow. »Die Brücke herauf! Sammelt euch auf dem Schloßhof. Unverzagt! Es kann nur ein blinder Lärm sein!« Aber noch indem er durch diese Befehle vergeblich einige Besonnenheit und Ordnung herzustellen suchte, stürzte ein Landmann atemlos ins Schloßtor und rief: »Der Feind, der Feind! Sie überfallen uns! Flüchtet alle in den Wald!« Das erschreckte Gesinde, die Landleute und alle Mädchen stürzten mit lautem Angstgeschrei und Wehklagen in den Hof und Garten, teils um sich zu verbergen, teils um zu flüchten. Andere drängten sich durch das Schloßtor, um ihre Häuser im Dorf zu erreichen. Das Aufziehen der Brücke wie das Sperren des Tores war dadurch gleich unmöglich. Dolgorow hieb im heftigsten Zorn mit dem Säbel auf die Flüchtenden, die ihm nicht gehorchten, ein und erhöhte dadurch Schrecken und Verwirrung. Jetzt sprengte ein Trupp flüchtender Kosaken am Tor vorüber und schrie: »Der Feind, der Feind! Flüchtet, zündet an!«
    Getümmel und Verwirrung waren unbeschreiblich; keiner hörte den andern mehr. »Es ist vergeblich, Widerstand zu leisten,« rief Ochalskoi, der sich indes mit Säbel und Pistolen bewaffnet hatte; »lassen Sie uns nur die Frauen retten! Wir flüchten durch den Garten und erreichen so den Wald, der uns vollständige Sicherheit gewährt!«
    »Wenigstens das Tor muß gesperrt werden,« schrie Dolgorow außer sich, »sonst hilft uns die schimpfliche Flucht nichts mehr.« Jetzt fand sein Befehl Gehör, da eben der Eingang einen Augenblick frei wurde. Er selbst, Ochalskoi und drei beherzte Diener rissen schnell die Ketten, mit denen die Torflügel gegen die Mauer der Hausflur geschlossen waren, zurück, warfen die Pforte zu und schoben die eisernen Riegel vor.
    Es war die höchste Zeit, denn in diesem Augenblicke sprengte Rasinski an der Spitze seiner Ulanen den Hügel heran, und kaum war das Tor geschlossen, so hörte man die donnernden Hufe ihrer Rosse auf der Zugbrücke.
    Dolgorow und Ochalskoi flogen die Treppe hinan in das Brautgemach, um Feodorowna zu retten, während die Gräfin eiligst

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