1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
wäre nur ein Zufluchtsort der Schande,« entgegnete Ludwig fest; »wir wollen froh sein, daß unsere männliche Gesinnung eine ernste Probe zu bestehen hat. Sie darf es nun, und dieser Gewinn ist nicht klein, um so leichter verschmähen, die Gefahr aufzusuchen, um sich vor sich selbst zu bewähren.«
Über die ganze Hügelebene verbreitete sich jetzt der Kampf. Unweit zur Rechten vor der Stelle, wo Rasinski hielt, doch außerhalb der Schußweite, lagen drei feindliche Redouten, welche den eisernen Tod aus unzähligen Schlünden auf die anrückenden Truppen entsendeten. »Marschall Davoust wird viel Leute verlieren«, sprach Rasinski, als die Kolonnen desselben sich in der Ebene entwickelten, um die furchtbaren Redouten zu stürmen.
Fest geschlossen, doch mit reißender Schnelligkeit drangen diese, durch die strenge Kriegszucht zu einem Körper, in dem nur eine Seele lebte, zusammengeschmiedeten Massen gegen den verschanzten Feind vor. Dreißig Geschütze begleiteten sie. Bald waren sie so in Staub und Dampf gehüllt, daß man nichts mehr von ihnen sah. Mit Adlerblicken überflog Rasinski das Schlachtfeld. Auf dem rechten Flügel hatte auch Fürst Poniatowski bereits den Angriff begonnen; er debouchierte aus dem Walde, welcher seine Stellung gedeckt hatte, und drängte, so schien es, den linken Flügel des Feindes mit entschiedenem Übergewicht, doch nur langsam zurück.
Aus dem feuerspeienden Vulkane, durch welchen Davoust und seine Scharen verschlungen zu sein schienen, sprengte jetzt ein Adjutant mit verhängtem Zügel heran. Er jagte gerade auf die Stelle zu, wo der Kaiser sich befand, der seinen Standpunkt um einige hundert Schritte weiter vorwärts genommen hatte, um einen deutlichern Überblick des Gefechts zu haben. Man konnte nichts von der Meldung des Adjutanten vernehmen. Doch sah man ihn gleich darauf in Begleitung des Generals Rapp mit stürmender Eile wieder in das Schlachtgetümmel sprengen.
Um zu erfahren, wie der Kampf sich wende, ritt Rasinski an einen Transport verwundeter Offiziere heran, der soeben in der Nähe vorbeigebracht wurde. »Nun, Kameraden? Wie steht's? Ihr seid die ersten Opfer?« fragte er. – »Wir werden aber nicht die letzten sein,« antwortete ein Kapitän, der den Arm in der Binde trug; »die Batterien dort oben speien einen Hagel von Kartätschen aus. General Compans ist gefallen, der Marschall verwundet!« – »Marschall Davoust?« – »Freilich, wer sonst?« – »Das Gefecht ist also blutig?«
»Es wird leichter sein, die Übrigbleibenden zu zählen als die Toten!« – »Ich danke Ihnen, Kamerad, und wünsche Ihnen gute Besserung«; mit diesen Worten ritt Rasinski zurück.
Die Schlacht hatte sich jetzt schon allgemeiner entsponnen. Eben rückte Marschall Ney mit seinen drei Divisionen vor. Ein verwundeter General wurde aus dem Getümmel gebracht. Es war Rapp, den, als er kaum in das Gefecht gekommen war, eine Kartätschenkugel vom Pferde schmetterte. Die zweiundzwanzigste Wunde erhielt dieser unerschrockene Krieger an diesem Tage. Langsam trug man ihn gegen die Anhöhe hinauf, wo der Kaiser stand. Neys Divisionen entwickelten sich jetzt im freien Gefilde; unter dem verheerenden Feuer des Feindes drangen sie kampflustig gegen die Höhe an. Es schien, als dürfte dadurch bald eine Entscheidung eintreten, der zufolge auch die Kavallerie in Tätigkeit kommen würde; deshalb hielt sich Rasinski dicht am Regiment, um jeden Augenblick bereit zu sein.
Der König von Neapel sprengte heran. Seine Adjutanten flogen nach allen Seiten. Er nahm die leichte Kavallerie zusammen, um den Feind auf der Höhe anzugreifen. Rasinski erhielt Befehl, sich anzuschließen. Im langsamen Trabe setzte sich die Masse in Bewegung, um für den entscheidenden Augenblick näher zur Hand zu sein. Jetzt wirbelten die Trommeln der Infanterie zum Sturmschritt. Mit Blitzesschnelle sah man diese die Höhen hinanfliegen. Der Donner der Kanonen verdoppelte sich; die ganze Ebene war ein Meer von Rauch, Staub und Feuer. Man sah nicht wer fiel, nicht wer vordrang. Da verstummte plötzlich der Kanonendonner; ein lautes Jubelgeschrei teilte die Lüfte, die Redouten waren durch Neys und Davousts tapfere Scharen genommen.
Mit stürmender Gewalt rasselten jetzt die von dem ritterlichen Könige von Neapel geführten Reiterscharen durch das Schlachtfeld. Staub und Kies wurden hoch emporgeschleudert, der Boden dröhnte unter dem stampfenden Hufschlage, die Rosse schnaubten; das verworrene Getöse betäubte das Ohr.
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