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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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öffnet mit ihren Feuerschlünden eine Bahn in der wandelnden Mauer der fest geschlossen anrückenden russischen Kürassiere; die Infanterie gibt eine Salve und dringt im stürmenden Anlauf mit gefälltem Bajonett nach. Der Feind stutzt, wankt; seine Reihen sind gebrochen, durch furchtbares Feuer schwerer Artillerie gelichtet; einzelne weichen der Übermacht des Schreckens, der Strom reißt auch die Kühnern mit fort, und bald bedeckt sich das ganze Gefilde mit Flüchtigen. Jubelnd dringen die Sieger von allen Seiten nach; jetzt erst, da sie den Sieg, die Ehre, den Feldherrn gerettet sehen, halten sie, atemlos, erschöpft von der ungeheuern Arbeit, ein, um Kräfte zu neuen Taten zu sammeln.
    Bernhard benutzte den ersten Moment, wo es möglich war, nach den Verwundeten auf der Anhöhe zu sehen, um Ludwig aufzusuchen. Man war schon damit beschäftigt, einige Generale und höhere Offiziere zurückzubringen, die auf dem blutig gedüngten Felde gefallen waren. Um die Masse der übrigen konnte sich noch niemand kümmern. Obgleich die äußerste Gefahr damit verknüpft war, wagte sich Bernhard doch auf das freigebliebene Terrain zwischen beiden Heeren hinein, wo die Leichen des Regiments liegen mußten. Ein entsetzlicher Anblick bot sich ihm dar, als er über das Feld der Verwüstung schritt. Nicht die Toten erfüllten ihn mit Grausen, die hilflos Verwundeten waren es, die jammernd um Rettung flehten, deren Elend er nicht zu mildern vermochte. Schaudernd, mit weggewendetem Gesicht floh er an ihnen vorüber. Sie streckten ihm die verstümmelten blutenden Arme nach, sie riefen nach ihm mit herzzerschneidendem Laut. Unmöglich! Er mußte fort. Dieser entsetzensvolle Anblick mahnte ihn doppelt daran, daß der, welcher ihm der Teuerste auf Erden war, sich in gleicher hilfloser Lage des Jammers befinde. Leichen von Menschen und Pferden hemmten jeden seiner Schritte. Ein Unglücklicher, der in krampfhaften Zuckungen sich auf dem Boden wälzte, packte den Vorüberschreitenden und schlang die Arme wie eine gewaltige Fessel um seine Füße. »Helft mir! Rettet mich, daß ich nicht hier verschmachte!« rief er stöhnend. Es war ein Deutscher! Bernhard vernahm vaterländische Laute! Sollte er den Landsmann, den Kameraden, der ihn stehend umschlang, der mit fürchterlich zerrissenem Leibe, dem die Eingeweide entstürzten, vor ihm winselte, zurückstoßen? Sollte er mit einem Fußtritt den Überrest des heiligen Lebens zermalmen? Und anders konnte er sich nicht aus den krampfhaft verschlungenen Armen befreien. Da rief er aus: »Ludwig, dir muß Gott helfen! Ich darf es nicht!« Und mit stürzenden Tränen beugte er sich nieder zu dem Unglücklichen, um ihn auf seine Schultern zu nehmen und an den Ort der Rettung zu tragen. Doch schon löste sich der feste Knoten, mit dem der Verwundete ihn gefesselt hielt; kraftlos fielen ihm bie Arme zurück, das mit brechenden Augen emporgehobene Antlitz sank auf den Boden nieder, der gewaltsam verzerrende Todeskrampf war vorüber, das Leben entflohen. Ein kalter Schauer rieselte über Bernhards Nacken, er trat bebend zurück und drückte beide Hände vor die Augen. Da ruft ihn plötzlich von weitem eine Stimme an; sie trifft wie ein Laut des Himmels sein Ohr. Er blickt auf, es ist Ludwig zu Pferde, der heransprengt, um den Freund, den er verloren glaubte, aufzusuchen. Mit beflügeltem Lauf eilt er ihm entgegen, sie umschließen sich in heißer Umarmung, Tränen der Freude entströmen ihren Augen! Doch gilt es kein Säumen. Der brausende Strom der Schlacht duldet nicht, daß man auf seinen Wogen müßig treibe und weile; er reißt alles mit sich fort. »Schwing dich auf!« ruft ihm Ludwig zu, »daß wir schnell die Unserigen erreichen.« Im Augenblicke sitzt Bernhard zu Pferde hinter Ludwig, und dieser jagt mit der teuern Beute zurück, wo Rasinski schon die Seinigen aufs neue sammelt und ordnet.
    Mit Jubel eilen Jaromir und Boleslaw den Kommenden entgegen. »Ihr lebt? Ihr seid unversehrt?« tönt die gegenseitige Begrüßung. Auch Rasinski sprengt voller Freude heran und empfängt die Geretteten, die man schon verloren glaubte. »Ein Pferd hierher!« ruft er, und schnell ist eins von denen, die, ohne Reiter, aus natürlichem Instinkt mitten aus dem Schlachtgetümmel ihre alten Reihen wieder gesucht haben, für Bernhard in Bereitschaft. .
    Einige Augenblicke der Ruhe sind den Erschöpften verstattet. Bernhard erzählt, wie es ihm ergangen; Ludwig, daß er, als sein Pferd gestürzt war, sich, obwohl von

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