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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Spartaner, die sich auch putzten und bekränzten für den Kampf. Ich glaube, dieser Grenadier sieht keinen großen Unterschied dazwischen, ob er mit seinem Mädchen eine Francaise aufführt, oder am Flügel des Regiments gegen eine Batterie marschiert. Musik gibt es bei beiden Festlichkeiten. Ich möchte wetten, er denkt morgen abend in Moskau einzumarschieren, und putzt sich heute schon dazu auf, weil es morgen an Zeit fehlen möchte. Sein ganzes Gesicht ruft: «Vive la bagatelle!» und eine Schlacht, ein ganzer Feldzug zählt mit in der Reihe der Bagatellen. Trotzdem ist er nicht mehr jung; er sieht aus, als würde er von Marengo und Arcole zu erzählen wissen. Glück zu, guter Freund, ich wünsche dir, du mögest morgen noch so fröhlich sein wie heute, und bei deinem Abendessen die Carmagnole so gedankenlos trällern wie jetzt eben.«
    »Ich habe doch diese Krieger schon in einer ganz andern Stimmung gesehen,« entgegnete Rasinski; »so bewegt das Lager dem erscheinen mag, der es in diesem Feldzug zuerst kennen lernt, so ganz anders sieht es der, welcher es seit langen Jahren kennt. Es ist Entschlossenheit, Fassung auf das Schlimmste, in den Gesichtern dieser Leute zu lesen; aber nicht jenes freudige Vertrauen, jene brennende Begierde nach Kampf und Sieg, die man sonst an Tagen vor der Schlacht aus ihrem Auge leuchten sah. Seht dort das Zelt des Kaisers. Was mag das Gedränge dahin für Ursache haben?«
    Man sah die Krieger in großen Scharen zu dem Gezelt eilen und sich in einer schwarzen Masse um dasselbe versammeln. Die Zurückkehrenden sahen fröhlich aus und sprachen lebhaft miteinander. Ausrufungen des Erstaunens, der Freude drangen aus dem dichten Gewimmel hervor. »Was gibt es dort?« fragte Rasinski einen Grenadier, der aus dem dichtesten Haufen kam.
    »Was es gibt, mein Kolonel? Ah, etwas sehr Schönes, und Erfreuliches! Ein Kind, ein prächtiges Kind! Der Sohn des Kaisers! Ja, mein Oberst, es ist ein Bildchen wie von Schnee und Rosen! O, man ist auch Vater! Ich habe einen Sohn, der nur um acht Tage älter ist. Sein Bild kann ich freilich nicht nachkommen lassen, allein ich hab' es im Gedächtnis. Der Schelm sitzt mir hier (dabei deutete er auf die mit dem Orden der Ehrenlegion geschmückte Brust) so deutlich abgemalt, daß ich keines Bildes bedarf! Aber es ist doch schön, eins zu haben! Gehen Sie nur, mein Oberst, und sehen Sie selbst!«
    Der vor Freude in Redseligkeit überfließende Soldat wurde durch den Strom fortgedrängt. Rasinski und seine Begleiter kämpften sich hinan. Das Gedränge war zu groß; sie konnten nur aus der Ferne, ohne die Züge zu unterscheiden, wahrnehmen, daß dicht an dem Zelt des Kaisers, unter der Obhut zweier bärtigen Grenadiere ein Gemälde – es war das des Königs von Rom – aufgestellt war, welches die Soldaten mit teilnehmender Neugier betrachteten.
    »Es hat etwas sehr Rührendes für mich,« sprach Ludwig zu Bernhard, »daß mitten in dieser kriegerischen Zurüstung sich nicht nur der Feldherr, sondern auch der liebende Vater zeigt, und daß er seine Tapfern so an seiner Freude teilnehmen lassen will.« – »Ja, ja,« sprach Rasinski lächelnd, »er ist ein großer Kenner der Menschen. Durch nichts kann er seine schwarzbärtigen Helden mächtiger an das Glück der Heimat erinnern als durch eine solche Mahnung. Nun schlägt jedem das Herz nach dem Vaterlande, dem schönen Frankreich, wo der seine Kinder, der seine junge Frau, die indessen vielleicht Mutter geworden ist, der sein munteres Liebchen zurückgelassen hat. Es gibt keinen andern Weg nach Paris als über Moskau, das wissen sie zu gut. Wie grimmige Löwen werden sie daher auf die einstürmen, die ihnen die Bahn sperren wollen!«
    »Ich dächte,« meinte Ludwig, »durch solche Erinnerungen müßte gerade das Herz des Soldaten schwer werden, er müßte den Krieg, der ihn von allem, was ihm teuer ist, trennt, hassen, müßte unwillig weiter vordringen.« – »Gewiß,« antwortete Rasinski; »nur nicht am Tage vor der Schlacht. Mühseligkeiten erträgt der Soldat schwer, Gefahren leicht; er wagt lieber, als er duldet. Die Zeit der Mühe ist jetzt vorüber, es kommt ein kurzer Augenblick der Gefahr; diesem geht er freudig entgegen; denn es ist mehr Hoffnung des Gewinns als Furcht des Verlustes dabei. Zeigt ihm nur einen sichern Preis des Sieges; wahrlich! ihn kümmert es nicht viel, ob er die Hölle stürmen muß, um ins Paradies zu kommen. Das aber muß ihm sicher sein. Seine Glaubensworte lauten: Sieg,

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