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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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die hier breiter emporstieg, machte man halt; rechts war das Terrain mit Gebüsch bedeckt, das den Übergang zu höherer Waldung bildete. Große Massen Kavallerie schienen hier versammelt zu werden. Gegen elf Uhr hatte man feste Stellung genommen. Rasinski ließ absitzen, doch blieben die Pferde gesattelt. Die Leute lagerten sich auf dem Boden. Stumme, gespannte Erwartung trieb das Herz in jeder Brust zu schnellern Schlägen an. Der Schlaf nahte sich nur scheu, doch endlich bezwang die körperliche Ermüdung die geistige Aufregung, und trotz der rauhen, kalten Herbstnacht sanken alle Krieger in tiefe Ruhe. Sogar Ludwig; doch bange, wehmütige Träume schreckten ihn oft wieder wach, und er sah dann die Wirklichkeit noch düsterer um sich her gestaltet als selbst seine Träume.

Viertes Kapitel.
    Der große, furchtbare Morgen des Schlachttages brach an. Der Himmel war heiter; nur wenige Nebelstreifen lagen über den tiefgehöhlten Betten der Kalotscha und einiger andern Bäche, die das Schlachtfeld durchströmten. Ein frischer Morgenwind zerteilte die Dunstgebilde in wenigen Minuten, jetzt hob die Sonne sich hinter den düstern, dunkelglühenden Gipfeln des Fichtenwaldes bei Utiza herauf und warf ihre Strahlen blendend über das Gefilde, wo die Massen des französischen Heeres, schon zur Schlacht geordnet, aufgestellt waren. Die langen Reihen der Bajonette funkelten rotblitzend, die Adler strahlten, und in dem Harnisch der Kürassiere glühte das volle Bild der Sonne, so daß es sich, zahllos aneinander gereiht, einer blutigen Schlange gleich durch die Flur ringelte. »Das ist die Sonne von Austerlitz«, rief der Kaiser, der auf einer Anhöhe zur Linken der aufgestellten Kavallerie, neben einer vorgestern erstürmten Redoute hielt, und deutete mit den Fingern auf das glänzende Gestirn.
    Rasinski war nebst mehreren andern Kommandeuren den Hügel hinangesprengt, um das Schlachtfeld besser überblicken zu können; er hielt so nahe, daß er die Worte des Kaisers hören konnte. Die Generale, an welche sie gerichtet waren, erwiderten nichts. Ludwig und Bernhard hielten, da sie Rasinski begleiteten, dicht hinter den Kommandeuren. Auch sie hatten den lauten Ausruf des Kaisers gehört. »Die Strahlen fallen uns zu blendend ins Auge,« sprach Bernhard leise zu Ludwig; »wir können den Feind nicht sehen, doch muß er uns desto deutlicher unterscheiden. Diese Sonne ist uns also wenigstens jetzt noch nicht günstig.« Ludwig erwiderte nichts. Ringsher herrschte das tiefste Schweigen.
    Jetzt sah man die Batterien, welche in der Nacht ihre Stellung zu entfernt von der befestigten Linie der Russen genommen hatten, vorrücken, um näher gelegene Höhen zu besetzen. Der Feind benutzte diesen günstigen Augenblick nicht. Es schien, als wolle er in diesem Kampfe, wo er sich stets nur verteidigt hatte, selbst auf dem erwählten Schlachtfelde nicht das erste Blut vergießen, sondern dem Angreifer auch jetzt noch Wahl und Muße lassen, von seinem Unternehmen abzustehen.
    Da ertönt plötzlich von dem linken Flügel her der dumpfe Donner des Geschützes; man sieht Rauch und Staub bei dem Dorfe Borodino aufsteigen. Die heilige Stille ist gebrochen, der schwarze Wolkenschleier des Verhängnisses zerrissen, der Blitz flammt verheerend herab. Mit zermalmender Wucht entrollt das eherne Rad den Händen des Geschickes; zertrümmere, wen es mag, keine Gewalt greift jetzt mehr hemmend in seine Speichen.
    Die Befehle des Kaisers fliegen durch das Gefilde. Im Augenblick donnert es von allen Höhen, die eben noch gleich schlummernden Ungeheuern in dumpfer Schreckensstille ruhten. Rauch und Flammen brechen aus ihren Gipfeln hervor, die Erde bebt, die Lüfte zittern in dem furchtbaren Getöse. Ein hereinbrechender Höllenstrom wälzt sich, eine breite, schwarze Flut des Dampfes, wirbelnd über das Gefilde; kaum das Blutauge der Sonne dringt durch die wogenden Finsternisse hindurch.
    Mit bang gepreßter Brust betrachteten Bernhard und Ludwig diese Entwicklung des den Gewohntesten erschütternden Schauspiels, welches für sie noch alle Schrecken der Neuheit und des Unbekannten mit sich führte. Doch fanden sie, wie jeder Bewußte und Gebildete, Fassung und Ruhe in dem Gefühle der Pflicht, der Männerwürde. Rasinski mochte ahnen, was in ihnen vorging. Er ritt zu ihnen heran und sprach: »Ihr habt euch mit mir eingeschifft, Freunde; jetzt stürmt und brandet die See. Ich wollte, ich wüßte ein sicheres Eiland, wo ich euch aussetzen könnte.« – »Es

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