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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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versäumen auch die Zeit, fürcht' ich«, entgegnete Rasinski. »Wenn jetzt die Garden vorgingen und die Vorteile, die wir mit dem Blute unserer Kameraden erkauft haben, wahrnähmen, so müßten wir das ganze Heer der Russen gegen seinen rechten Flügel werfen und zwischen die Moskwa und die Kalotscha einkeilen können. Ich sehe gar nicht, wie sie entrinnen wollten.« – »Der König von Neapel, davon war ich Zeuge oben in der Redoute,« entgegnete Bernhard, »hat schon zuvor zum Kaiser gesandt und um das Vorrücken der Garden gebeten.« – »Auch Marschall Ney«, sprach Boleslaw. – »Und er verweigerte sie?« fragte Rasinski. – »Mutmaßlich.« – »Unbegreiflich! Unbegreiflich! Er ist zu weit vom Schlachtfelde entfernt; er sollte hier stehen, wo wir halten, so würde er den Angriff im Sturmschritt befehlen.«
    »Ich kann mir nicht denken,« sprach Ludwig, »daß ein solcher Feldherr wie der Kaiser nicht wichtigere Gründe haben müßte, dieser Forderung nicht zu genügen, als die ihm angeben, welche das Begehr an ihn stellen.« – »Was er einwenden mag, glaube ich zu sehen,« antwortete Rasinski; »freilich ist man auf den beiden Flügeln noch nicht so weit wie im Zentrum. Doch sieht man, daß auch Fürst Poniatowski vordringt, und der Vizekönig von Italien hat wenigstens noch nicht unglücklich gefochten. Aber ist das nicht Regnard, der dort herankommt?«
    Er war es in der Tat. Mit verbundenem Kopf und Arm ritt er langsam, von zweien seiner Leute begleitet, aus dem Gefecht zurück. Rasinski sprengte zu ihm heran. »Nun, wie steht's, Freund!« rief er ihm zu. – »Wie es steht? Mit mir verteufelt schlecht, wie ihr seht. Doch habe ich meinen Sicherheitspaß, daß ich in dieser Schlacht nicht das Leben lasse. Ich bin unbedeutend verwundet, aber die Höllenarbeit und der Blutverlust haben mich so matt gemacht, daß ich mich nicht mehr zu Pferd halten kann. Und das Unglück, der Verdruß, diese Arglist des Teufels möchten mich rasend machen!« – »Was denn?« fragte Rasinski erstaunt. – »Ihr fragt noch? Seht ihr denn nicht, wie die Schlacht steht? Bersten möchte ich vor Grimm, daß der Kaiser nicht mehr der Kaiser, oder vielmehr, daß er nur der Kaiser und nicht mehr der Feldherr ist. Er soll krank sein, das Fieber schüttelt ihn, kein Mensch kann ihn begreifen. Der Sieg liegt vor ihm, und er, der sonst in eine Charybdis stürzte, um ihn beim Schopf zu fassen, trägt jetzt Bedenken, nur den Arm danach auszustrecken. Murat, Davoust und Ney haben ihn beschworen, ihnen die Garden zur Verstärkung zu schicken. Er hat es abgeschlagen. Nur auf der Höhe sollten sie sich zeigen, daß der Feind vor unserer Reserve besorgt sein müsse. Es ist, als ob ein Dämon der Hölle seine Gestalt angenommen hätte, um uns zu verderben!«
    »Wir werden dennoch siegen!«
    »Freilich! Aber ist es anders möglich mit solchen Truppen? Gehen sie nicht auf den Feind wie Wölfe in die Herde? Meine Leute haben sich beim Angriff auf die Schanze in den Tod gestürzt, als gälte es einen Wettlauf nach den Preisen auf den Cocagnemast in den Elysäischen Feldern. Mich wundert nur, daß sie nicht die Kugeln mit dem Bajonett aus den Kanonen herauszuspießen versuchen, während der Artillerist die Lunte aufs Zündloch hält. Beim Teufel, ich weiß, was fechten heißt, aber so wie heute habe ich die Franzosen noch nicht gekannt.«
    »Der Feind tut auch das Seinige!«
    »Freilich! Er wehrt sich wie ein angeschossener Eber; doch gerade an solchem eisenstarren Gegner wird der Soldat zum Löwen. Lebt wohl, Freund! Ich muß mich ordentlich verbinden lassen, denn ich kann mich kaum noch im Sattel halten.« Er reichte ihm die Hand hinüber und ritt weiter.
    Indessen hatte sich die Schlacht auf eine entsetzliche Weise erneuert. Jetzt war es der heldenmütige Eugen, der die gewaltigste Arbeit vor sich hatte. Auf einer Anhöhe inmitten zwischen Borodino und Semenowskoi hatte der Feind seine Stellung durch eine furchtbare Redoute gedeckt, aus der vierundzwanzig Feuerschlünde unaufhörlich ihre Eisenmassen in die andringenden Regimenter schleuderten. »Dort ist der Sieg!« rief Rasinski aus, als er den Punkt ins Auge faßte, gegen welchen jetzt beide Mächte alle ihre Massen heranführten. »Diese Redoute ist das Palladium des Russischen Reichs«, rief er nochmals mit funkelndem Blicke. »Aber es muß das unsere werden. Jetzt wird der Kaiser zeigen, daß er noch der Feldherr von Marengo und Austerlitz ist.«
    Er hatte kaum diese Worte gesprochen,

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