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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Männerbrust entgegenzuwerfen. Mit Wutgeschrei drängen die Verwegenen vor. Die Eisenmassen stürzen in ihre Reihen und reißen Tausende hinweg. Vorwärts über die Leichen der Brüder! Die Adler fallen. Vorwärts! Die Führer sinken getroffen. Vorwärts, daß sie auf dem Felde des Sieges ihre Heldenseelen aushauchen! Und sie stürmen hinein mitten in die düstere, donnernde Wolke des Todes! Die Erde ist ein stürmendes Meer, ringsumher brüllt die See, der Abgrund des Verderbens gähnt tief auf. Noch einmal krachen die ehernen Höllenpforten und schleudern Flammen und Erz gegen die Anstürmenden. Ihre Reihen liegen gefällt! Doch »Sieg!« rufen die Unversehrten und dringen vor.
    Da wird es plötzlich still; der Donner verstummt. Der schwarze Vorhang des Rauches zerreißt und ein strahlender Glanz dringt den Tapfern blendend ins Auge. Wie? Ist das die Göttin des Sieges? Türmt sich uns eine neue eherne Mauer entgegen? Nein, wir vernehmen Freundesruf, Siegesjubel! Es sind die kühnen deutschen Scharen hoch zu Roß, die die Schanze genommen, den Sieg errungen haben, und stolz spiegelt sich die Sonne dieses Tages in dem Stahl ihrer funkelnden Harnische, die ein Herz von noch undurchdringlicherm Metall bedecken.

Fünftes Kapitel.
    Die feindlichen Geschütze sind erbeutet, der Gegner geworfen. Doch bald nehmen ihn geordnete Scharen auf, und er scheint den Kampf nochmals erneuern zu wollen. Allein er erkennt, daß er weichen muß, aber er will nicht fliehen. Das grimmige Antlitz gegen die Schlacht gewendet, zieht er sich langsam zurück in neue, sichere Stellungen. Seine Hügel, seine Flüsse werden zu mächtigen Verteidigern des Vaterlandes. Kein Regendach, der nicht die steil ausgespülten Ufer den heimatlichen Söhnen zur Brustwehr darbietet, um sie gegen den nachdringenden Feind zu schirmen; kein Hügel, der sich nicht zur Feste gestaltet, um dem Verfolger aufs neue einen Damm entgegenzustellen, an dem er seine erschöpfte Kraft vollends zerschellen mag. So wurde es denn nicht die Aufgabe der leichten Reiterei, in die flüchtenden Scharen vollends Verwirrung und Verderben zu tragen; es folgte nach dem ernsten Spiel der Schlacht nicht das leichtere, dem Feinde reiche Beute abzunehmen, oder Scharen von Gefangenen im Triumphe einzuführen. Nur die ehernen Geschosse der Artillerie hefteten sich grimmig an die Fersen der langsam Weichenden und sandten ihnen den Tod nach, bis die heilige stille Nacht den Jammer und das Entsetzen dieses Tages schauerlich in ihren dunkeln Mantel verhüllte.
    Um die nachrückenden Batterien gegen die feindliche Kavallerie zu decken, war Rasinski mit seinem Regimente bis zum Abend fortwährend im Gefecht gewesen. Jetzt, da die Nacht sich herabsenkte und auch dieser letzte Kampf ein Ende hatte, ritt er mit den Seinigen langsam über das Schlachtfeld zurück, um sich die Biwaksstätte aufzusuchen. Die tiefe Dämmerung ließ nichts mehr deutlich unterscheiden; der Himmel war mit dichten Wolken bezogen, ein kalter, feiner Regen, vom rauhen Herbstwinde gejagt, schlug den ermüdeten Kriegern ins Gesicht. Nach dem furchtbaren Getöse des Tages war eine tiefe, schauerliche Stille eingetreten. Nur in den bewegten Kronen der Wälder tönte ein hohles Sausen und Rauschen, und flatternde Raben, die schon ihre Beute witterten, krächzten über den Häuptern der Reiter. Wie die Natur ringsumher, so sah es in jeder Brust aus. Ein tiefes, düsteres Schweigen hielt die Lippe gefesselt. »Ist das das Gefühl eines Sieges?« dachte Ludwig und bebte innerlich zusammen. Sein Los erschien ihm in diesem Augenblicke wie ein schwerer düsterer Traum, aus dem er erwachen müsse. Staunend und bebend warf er einen Blick rückwärts auf die Bahn seines Lebens, die so plötzlich aus sanfter Ebene die steilsten Höhen hinangeklimmt war und an den dunkelsten Tiefen dahinleitete. Vor wenigen Monden, als der Lenz eben die Knospen der Bäume auf den italischen Fluren öffnete, wehte noch sanfte Ruhe, stille Heiterkeit in seiner Brust. Er sah das Leben ernst an, manche trübe Wolke zog an seinem Himmel vorüber; doch fühlte er sich in den nächsten beschränkten Verhältnissen glücklich und befriedigt. Damals baute er schöne Luftschlösser, von einer friedlichen, vom Geräusch der Welt abgesonderten Zukunft. Er dachte an Marien, an die Mutter, an ihre traute Häuslichkeit, an den Ernst der Wissenschaft und des Geschäfts, das seiner harrte; er fühlte sich glücklich als Sohn und Bruder. Selbst die wunderbaren Regungen

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