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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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ihr und der Zukunft? Gibt es warnende, wahrsagende Stimmen für ein leiser horchendes Ohr? Überhören wir sie nur in dem rauschenden Getümmel einer äußerlichen Welt, der wir uns nur zu sehr entgegenneigen? –
    Ach, Lodoiska vernahm sie wie das ferne, schauerliche Grollen heranziehender Gewitter, wie bange Klagelaute im Nachtgeräusch des Windes, unter dem angstvollen Pochen ihrer Brust. Dann flüchtete sie in die Kapelle; nur im Gebet fand ihre schöne Seele die Ruhe wieder. Denn dort schwiegen die Stürme des Lebens, der Leidenschaft; die aufgeregten Wogen beschwichtigten sich, die trüben, fremden Stoffe sanken auf den Boden hinab, und der Himmel spiegelte sich klar und tief in der beruhigten Flut.

Zweites Kapitel.
    Es war ein grauer Septembertag, an dem Lodoiska, nur von ihrem Mädchen begleitet, die nahe Kirche besuchte. Ihr Weg führte sie vor dem Hotel des französischen Gesandten in Warschau, Herrn von Pradt, vorüber. Vor der Tür hielt ein Kurierwagen; sie bemerkte eine auffallende Bewegung unter den Dienstleuten. Es mußte eine Nachricht von Wichtigkeit eingetroffen sein. Mit klopfendem Herzen näherte sie sich. Freilich konnten von allen Gegenden Europas, aus Spanien, Paris, Italien, Wien, die Eilboten bei der Gesandtschaft eintreffen; allein die größten Ereignisse begaben sich doch jetzt da, wo ihr Herz weilte. Eine innere Stimme sagte ihr, daß Nachrichten von der Armee gekommen sein müßten. Sie beschleunigte ihre Schritte; zu blöde, sich selbst zu erkundigen, gab sie ihrem Mädchen den Auftrag und wollte, langsam vorangehend, dieselbe jenseit des Hotels erwarten. Doch indem sie vor der Tür vorbeiging, kam ein Offizier in Paradeuniform heraus; er stutzte, als er sie sah, schien sie zu erkennen, ging rasch auf sie zu, verbeugte sich und sprach: »Ich hoffe vielleicht zuviel von der Güte Ihres Gedächtnisses, wenn ich voraussetze, daß Sie mich noch kennen sollten, gnädigste Gräfin?« Lodoiska war jungfräulich überrascht, doch erkannte sie sogleich den Rittmeister Arnheim von Teplitz. »O gewiß erkenne ich Sie,« war ihre Antwort, »wenngleich ich nur wenige Tage in Teplitz zugebracht habe. Dafür ist es aber auch erst ganz kurze Zeit her, daß wir es verließen. Aber was führt Sie nach Warschau?« – »Meine Herstellung ist vollendet. Ich gehe zur Armee nach Wolhynien ab.« – »Es scheint, daß soeben wichtige Nachrichten beim französischen Gesandten eingetroffen sind«, sprach Lodoiska ein wenig ängstlich und sah sich um, ob ihr Mädchen noch nicht nachkomme. – »Die wichtigsten von der Welt,« entgegnete der Rittmeister rasch; »diesen Augenblick brachte sie der Kurier. Es ist eine große Schlacht vorgefallen, bei Mosaisk, zwei Tagemärsche von Moskau!« – »Ohne Zweifel sehr blutig?« fiel Lodoiska erblassend und zitternd ein. Arnheim bemerkte im Gehen nicht, daß sie durch die Nachricht so heftig ergriffen wurde, und fuhr daher unvorsichtig fort: »Blutig, wie es kein Beispiel mehr in der Geschichte gibt; die Zahl der Toten und Verwundeten ist noch nicht genau bekannt; doch im Überschlag gibt die Depesche sie auf 60-70000 Mann von beiden Seiten an. Der Sieg des Kaisers ist mit unermeßlichen Opfern erkauft.«
    Das Bild des Schlachtfeldes trat plötzlich mit so entsetzlichen Farben vor Lodoiska hin, es erfüllte ihre Seele mit solchem Grausen, daß sie, ihrer selbst nicht mehr mächtig, erblassend zurücktrat und mit dem ersterbenden Ausruf: »Heilige Mutter Maria!« in die Knie sank. Arnheim sprang hinzu und fing sie in seinen Armen auf. Verlegen sah er sich nach Hilfe um, als schon Lodoiskas Mädchen hastig herbeieilte und im ängstlich wehklagenden Tone rief: »Um Gottes willen, was ist meinem Fräulein?« – »Der Schreck über die Nachricht von der Schlacht hat sie so heftig ergriffen; wir wollen sie hier in das Hotel des Gesandten tragen!« sprach Arnheim.
    Doch Lodoiska öffnete die Augen wieder. Eine dunkle Glut der Beschämung hauchte den Marmor ihrer Wangen an; sie seufzte tief auf. Zu sprechen vermochte sie noch nicht, doch richtete sie sich empor und blieb nur auf den Arm des Mädchens gelehnt. »Wie soll ich Verzeihung für meine Unvorsichtigkeit hoffen,« sprach Arnheim; »wir Soldaten sind so roh, daß wir bei der Nachricht von einer Schlacht niemals an die Opfer denken.« – »Sie sind nicht schuld,« antwortete Lodoiska; »es war nur meine Torheit.« Da brachen ihre Tränen unaufhaltsam hervor. »Ich muß nach Hause – vergeben Sie nur –« sprach sie

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