1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Rittmeister nach der Art, wie sie von ihm Abschied genommen hatte, unmöglich jetzt schon einstellen. Mit klopfendem Herzen vernahm sie seine raschen Schritte im Vorsaal. »Verzeihen Sie mir nur mein rasches Eindringen,« sprach er eintretend zur Gräfin, »aber ich konnte mir's unmöglich versagen, selbst der Überbringer dieses Blattes zu sein, welches unstreitig Ihre Besorgnisse wegen der Schlacht sogleich heben wird.« Dabei überreichte er ihr ein offenes Blatt, auf welchem einige, mit Bleistift geschriebene Worte in polnischer Sprache standen.
»Tausend, tausend Dank!« erwiderte die Gräfin, als sie einen Blick auf das Papier geworfen hatte. Hier, Lodoiska, lies du selbst, was mein Bruder schreibt: »Teuere Schwester! die Schlacht ist vorüber, ich lebe; unsere nächsten Freunde sind alle unverletzt. Nächstens mehr.«
»Dank dir, heilige Mutter Gottes!« rief Lodoiska außer sich und warf sich unter strömenden Tränen an die Brust der Gräfin. »Wie bist du gnadenreich gegen deine Tochter!« Ihre Blicke richteten sich in verklärter Freude gen Himmel; sie faltete die Hände über der Brust und vermochte nicht mehr zu sprechen. Auch Marie war in tiefstem Bewegung. »Alle unverletzt«, sprach sie und eine Träne der innigsten Rührung zitterte in ihren Wimperm »Das ist mehr, als ich selbst zu hoffen wagte! O jetzt empfinde ich erst an meiner unaussprechlichen Freude, wie namenlos meine Angst war! Haben Sie Dank für diese Botschaft.«
Wie großes Glück oder Unglück edle Herzen öffnet, daß sie der gewöhnlichen, beengenden Schranken des Lebens nicht mehr gedenken, so ging Marie offen und frei auf Arnheim zu und reichte ihm mit Wärme die Hand. Dieser stand aufs äußerste betroffen, denn Mariens Gegenwart in diesem Orte, die er nicht ahnen konnte und noch nicht wahrgenommen hatte, überraschte ihn jetzt mit einer Plötzlichkeit, die ihm beinahe die Fassung raubte. Mit freudiger Bestürzung ergriff er die dargebotene Hand und drückte sie an die Lippen. »Sie hier?« sprach er sich aufrichtend mit dem Tone der höchsten Verwunderung; »das hätte ich nimmermehr vermutet!« – »Ich bin einer sehr freundlichen Einladung gefolgt,« antwortete Marie; »doch ist in der Fremde die Begegnung mit einem Landsmanne und vollends mit einem, den wir näher kennen, ein gar zu freudiges Ereignis.« –^ »O gewiß, gewiß!« rief der Rittmeister und küßte ihre Hand mit solchem Feuer, daß Marie sie sanft zurückziehen mußte.
»Wir sind Ihnen unendlichen Dank schuldig geworden, Herr Rittmeister,« sprach die Gräfin; »und diejenigen, die ihn nicht einmal auszusprechen wissen, am meisten.« Sie deutete dabei auf Lodoiska, die ihre von dankbarer Rührung in Tränen überströmenden Augen mit dem Tuch bedeckt hielt. »Aber wie kommen Sie zu dem Blatt?«
»Auf die einfachste Art von der Welt«, erwiderte der Rittmeister. »Ich hatte mich eben im Bureau der Gesandtschaft gemeldet, als die Depeschen eintrafen. Ein dort arbeitender Offizier sagte mir, daß der Kurier, wie gewöhnlich, eine Menge flüchtiger Briefe und Meldungen, teils auf offenen Zettelchen, teils in vorbereiteten Kuverts, teils nur mit Bleistift geschrieben, mitgebracht habe, wodurch diejenigen, die an der Schlacht teilgenommen haben, den Ihrigen die ersten Beruhigungen zukommen lassen, in jeglicher Form, wie die Umstände es eben gestatten. Dies brachte mich auf den Gedanken, ob nichts für Sie, gnädigste Gräfin, dabei sein möchte. Ich eilte ins Bureau zurück und es fand sich in der Tat dieser offene, mit Bleistift geschriebene Brief vor. Ich erbat ihn mir, um ihn sofort mitzuteilen, etwas, das man um so lieber annahm, als man diese Briefe gern mit der Nachricht zugleich an diejenigen gelangen läßt, an die sie gerichtet sind. So ward ich der Überbringer.« – »Unsers größten Glückes«, fiel die Gräfin ein. »Nochmals seien Sie uns als der heilbringendste Bote willkommen!«
Lodoiska fühlte in ihrem frommen Herzen das Bedürfnis, der himmlischen Beschützerin ihres Glücks den Dank des Gebetes darzubringen. Unbemerkt schwebte sie aus dem Gemach und suchte die Einsamkeit ihres Zimmers auf, wo ein Marienbild, mit herbstlichen Blumen von ihr selbst geschmückt, hing. Hier kniete sie nieder und betete stumm. Marie hatte sie erraten und folgte deshalb nicht. In der Stille der Brust richtete auch sie Dankgebete an den Allmächtigen, der ihr den Bruder erhalten hatte. Doch zugleich überkam sie eine bange Wehmut über die Folgen des großen
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