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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Ereignisses. Das Gespräch, welches die Gräfin mit dem Rittmeister begann, gab ihr zum großen Teil Auskunft auf die Fragen, die sie in ihrem Innern tat. »Sie glauben,« begann die Gräfin, »daß dieser Sieg entscheidend für den Ausgang des Kampfes ist?«
    »Ohne allen Zweifel. Zwei kleine Tagemärsche von der alten Hauptstadt des Reichs, führt er diese unfehlbar in die Gewalt des Kaisers, und damit dürfte Rußlands Los entschieden sein.«
    »Das Reich dehnt sich noch weit hinter Moskau aus, die blühendsten, bevölkertsten Provinzen reihen sich an die südlichen Abhänge des Ural. Für ganz besiegt möchte ich Rußland nicht halten, selbst wenn die beiden Hauptstädte im Besitz des Kaisers wären.«
    »Gewiß nicht,« erwiderte Arnheim; »allein es ist in seiner geistigen Kraft gebrochen durch die Wegnahme der Hauptstadt. Äußerlich möglich ist die Fortsetzung des Kriegs ohne allen Zweifel, doch innerlich wird sie nicht ausführbar sein. An die Hauptstadt des Reichs knüpfen sich zu vielfach verschlungene Interessen; sie ist der Punkt, wohin alle Wege des Reichtums, des Handels, des Verkehrs sich vereinigen. Und wie ein gewaltiger Schlag nur eines der edlern Organe zermalmen darf, um das Leben des ganzen Körpers zu vertilgen, so ist in Kriegen das Eindringen des Feindes in die Hauptstadt von tödlich lähmender Wirkung für alle übrigen Kräfte des Reichs.«
    »So wäre denn die Weltherrschaft Napoleons entschieden?« fragte Marie mit einer Stimme, der man den unterdrückten tiefen Schmerz anhörte. »Für den Kontinent gewiß«, entgegnete Arnheim. Die Gräfin, welche Mariens Sinnesart kannte, denn diese hatte bei aller Freundschaft für ihre wohlwollende Beschützerin doch nie einen Hehl daraus gemacht, dachte zu edel, um ihre Freude über eine Wendung der Weltbegebenheiten zu äußern, die für eine Deutsche so niederschlagend sein mußte. Marie ihrerseits, welche besonders seit ihrem Aufenthalte in Polen leicht begriff, wie viel diese Nation von den Siegen des Kaisers zu hoffen hatte, trug ihren Kummer still. Kaum daß ein schmerzlicher Zug um ihre geschlossenen Lippen ihn verriet. Arnheim schien sie jedoch zu verstehen, weil er ähnlich fühlte. Doch griff der Schmerz um das Vaterland nicht so tief in seine Seele; teils weil er sein Geburtsland, Österreich, jetzt höher gestellt zu sehen hoffen durfte, teils indem er als Soldat eine kriegerische Verehrung vor dem französischen Kaiser als Feldherrn empfand, vorzüglich aber, weil er sich in glücklichern Hoffnungen für Deutschland wiegte, als man damals zu haben pflegte. Er hielt es für gut, von diesen zu sprechen. »Vielleicht,« äußerte er, »ist daß Resultat dieser Schlacht segensreich für ganz Europa. Gegen wen wird eigentlich der Krieg geführt? Meiner Meinung nach nicht gegen Rußland, sondern gegen England. Durch die Besiegung der russischen Heere ist der Kaiser nunmehr endlich Herr aller europäischen Küsten; denn Spanien und Portugal werden bald ganz in seiner Gewalt sein. Alsdann ist er imstande, den Engländern die Bedingungen des Friedens, wenn nicht unbedingt vorzuschreiben, doch wenigstens sie zur Annahme billiger Verträge zu bewegen. Englands Macht ist so groß, daß der ganze Kontinent aufgeboten werden mußte, um dieser kleinen Insel das Gleichgewicht zu halten. Dieses große Ziel scheint mir jetzt erreicht; wenigstens sind wir nahe daran. Dann, so hoffe ich, wird ein allgemeiner Friede, dessen alle Nationen bedürfen, nach dem sich alle Völker sehnen und Frankreich vielleicht am meisten, gewiß die furchtbaren Erschütterungen, die Europa seit zwanzig Jahren dulden muß, beschwichtigen, die zerrissenen Bande neu knüpfen, die gewaltsam geschlossenen vernünftig lösen. Vieles Übel, welches der Kaiser jetzt, durch den Drang der Ereignisse gezwungen, den Völkern zufügen mußte, wird aufhören. Er gab den überwundenen Nationen fremde Könige, strenge Statthalter. Weshalb? Weil er ihrer nicht sicher war, und bei seinen unermeßlichen Kriegszügen doch keine gefährlichen Feinde im Hintergrunde dulden durfte. Vielleicht setzt er jetzt, eben um das Band der Sicherheit fester zu knüpfen, die rechtmäßigen Fürsten wieder ein. Denn an den Personen liegt ihm nichts, zumal an seinen Brüdern und Verwandten. Sie sind nur Monarchen, weil er ihrer Anhänglichkeit am sichersten ist, denn er ist der Stamm, auf dem sie blühen. Wurzelt er erst tief und fest, so kann er der wucherischen Zweige, die einen nachteiligen Schatten auf das

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