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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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dort den Stein auf die Gruft wälzen!« Wenige Schritte davon lag ein ansehnlicher Granit, der fast die Form eines Würfels hatte. Die kräftigen Jünglinge packten den schweren Block an und wälzten ihn glücklich bis auf die Grabstätte. Dann brachen sie grüne Zweige von der Fichte ab, steckten sie in die frisch aufgeworfene Erde, und Bernhard kratzte mit seinem Messer ein P in den Stein. »Jetzt die letzten kriegerischen Ehren«, sprach Boleslaw und holte seine Pistolen aus der Halfter; die andern taten ein Gleiches. Rasinski trat zum Kommando vor. Er zog den Säbel und kommandierte mit heiligem Ernst: »Schlagt hoch an! Feuer!« Die Schüsse fielen, die Rauchsäule stieg gerade empor und glänzte in einem flüchtigen Blick, den die Sonne durch das Gewölk warf. Doch von dem Knall aufgejagt, flatterten ringsum Scharen von Raben auf und flüchteten mit rauschendem Flügelschlag. Dreimal wurde dem Bestatteten der kriegerische Ehrengruß gebracht, dem auch Regnard sich nicht entzog. Dann setzten sie sich auf und ritten eilig, schweigend, zu den Ihrigen zurück, die sie an der Grenze der Feldmarken einholten, welche die Geschichte bis für die Söhne ferner Jahrtausende mit erschütternder Denkwürdigkeit bezeichnet hat.

Fünftes Kapitel.
    Nach zwei mühseligen Tagen erreichte das Heer Wiazma; hier ließ der Kaiser einen Rasttag halten, um die Nachhut, welche der Marschall Davoust führte, zu erwarten. Schon waren die Kräfte der Truppen aufs äußerste angestrengt; viele, durch Krankheit oder Wunden geschwächt, blieben zurück; selbst der festeste Wille vermochte nicht, die versagenden Kräfte des Körpers zu ersetzen.
    Rasinski war glücklich genug gewesen, noch keinen von den Seinigen zu verlieren; dies dankte er teils seiner frühzeitigen Sorge für ihre wärmere, festere Bekleidung, teils der unermüdeten Tätigkeit, mit der er noch jetzt fortwährend den Bedürfnissen, soviel es möglich war, zuvorzukommen suchte. Vornehmlich hatte er durch das Beispiel mutiger Zuversicht den Geist der Ordnung, der Ehre und des Vertrauens zu erhalten gewußt, der in so bedrängenden Zeiten die sicherste Rettung, den wirksamsten Schutz gegen das hereinbrechende Verderben gewährt. Der Soldat ist ganz überwältigt und verloren, wenn er es nur einen Augenblick aufgibt, den grimmigen Feinden: der Not, der Kälte, der übermäßigen Anstrengung, Trotz zu bieten. So hielt Rasinski jetzt auf strengere Ordnung im Marsch; er gestattete durchaus kein Vereinzeln, kein Zurückbleiben, kein Vernachlässigen der Pferde, der Kleidungsstücke und Waffen. Er wußte den Reitern begreiflich zu machen, daß der kleine Mangel, dem sie noch, wenngleich mit einiger Unbehaglichkeit, abhelfen konnten, in wenigen Tagen durch Vernachlässigung zu einem unersetzlichen Schaden geworden war. Seine Offiziere sowie Ludwig und Bernhard schlossen sich ihm durch gleiches, sorgliches Aufmerken und eigenes Beispiel wirksam an. In Wiazma war es Rasinski gelungen, noch ein leidliches Unterkommen für Pferde und Leute zu finden. Drei halb stehengebliebene Mauern einer großen Scheune, die noch eine Bedachung hatte, dienten den Rossen zum Stalle; da sie aber alle nicht Raum hatten, so mußten sie von acht zu acht Stunden wechseln. Es war Stroh genug herbeigeschafft worden, daß alle lagern konnten; allein die Fütterung fiel freilich mager genug aus. Doch schon die Ruhe in dem wärmern Bezirke der bedeckten Mauern tat den Tieren wohl. Für sich und seine Leute hatte Rasinski ein Häuschen in Beschlag genommen, das kaum dreißig Menschen fassen zu können schien. Doch durch genaue Verteilung auf dem engen Flur-, Stuben- und Bodenraume, wobei man jedes Plätzchen achtete, war es dennoch möglich geworden, sechzig Mann, freilich eng genug, zu lagern. Durch eine Abwechslung von acht zu acht Stunden, während welcher die einen schliefen, die andern die Pferde, die Wachtfeuer, das Kochen besorgten, gelang es dem vorsorgenden Führer, die Leute völlig ausruhen und auswärmen zu lassen, so daß sie, als der Marsch fortgesetzt werden sollte, mit in der Tat durchaus frischen Kräften an die beschwerliche Reise gehen konnten.
    Vor Tagesanbruch setzten die Kolonnen sich in Bewegung. Der Weg führte zwischen langen Fichtenwäldern dahin; die tote Einförmigkeit schien die ungeheuere Weite, in der sich die Krieger von der heimatlichen Gegend fühlten, noch zu vermehren. Auch die Länge der schon so beschwerlichen Tagemärsche wuchs dadurch. Rasinski erhielt den Auftrag, mit

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