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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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ich ebenso ungern darben, als ich meinen Säbel stumpf oder mein Pistol ohne Stein weiß. Kann ich mich nicht mehr auf meinen flinken Rappen verlassen, dann ist der ganze Reiter nichts mehr wert. Nicht wahr, Alter?« Hierbei bückte er sich und streichelte seinem Tiere freundlich den Hals. Rasinski hatte wenig auf das Geschwätz gehört, weil die gefährliche Lage der Armee seine Gedanken zu ernsthaft beschäftigte. »Wie weit rechnet man von Kaluga bis Dogorobuye?« unterbrach er Bliskis Anrede an seinen Rappen. – »Gegen hundertundachtzig Werst werden es wohl sein.« – »Und ist der Weg gut?« – »Das kommt auf das Wetter an; jetzt vermutlich wie hier, auf der Höhe leidlich, in der Tiefe morastig. Aber wenn es schneit, so ist's die beste Schlittenbahn im ganzen Kaisertum.« – »Nun, nach Schnee sieht es noch nicht aus.« –»Wer kann's wissen, mein Oberst? Die Jahreszeit ist da, die Frucht wird reif werden, so sicher wie im Herbst die Pflaume.« – »Gut, gut, Bliski; reite jetzt nur wieder zu deinen Kameraden zurück; ich weiß nun schon, was ich wissen wollte. Du kennst die Gegend, und wirst dich zurecht finden, wenn ich dich brauche.« – »Das hat nicht not,« rief Bliski mit lebhaften Augen; »ich finde mich von hier bis Madrid zurecht.« Damit ritt er wieder in das Glied zu seinen Kameraden ein.
    Als jetzt die Straße eine Krümmung machte und das Gebüsch zur Seite aufhörte, erblickte man einige hundert Schritte vorwärts ein schwarzes Gewimmel von Menschen, die an der Seite des Weges eifrig beschäftigt schienen. Zugleich sah man Wagen hinaus in das Feld fahren. »Da wird's wieder ein Autodafé geben«, sprach Rasinski zu den Freunden zurückgewandt. »Es ist auch nötig, die Kanonen noch stärker zu bespannen, denn sie kommen nicht aus der Stelle.« Das Treiben und Verkehren neben der Heerstraße hielt die Blicke der Reiter aufmerksam gefesselt. Die Sonne schien hell, plötzlich wurde ihr Bild mitten aus der schwarzen Masse der versammelten Leute blendend zurückgeworfen. »Das ist das Kreuz des heiligen Iwan!« rief Bernhard, der sich sogleich an die Begebenheit bei Moskau erinnerte. Mit gespannter Erwartung betrachtete man jetzt alles, was auf jenem Punkte vorging. Da der Weg sich eine Höhe hinanzog, übersah man bald das ganze Feld. Ein kleiner See wurde zur Seite sichtbar. Rings um denselben war eine Reihe von Wagen aufgefahren, bei denen unzählige Menschen mit Abladen beschäftigt waren. Andere spannten die Pferde ab und führten sie auf die große Straße zurück.
    Wie man näher und näher marschierte und die Gegenstände sich deutlicher unterscheiden ließen, sah man, daß die in Moskau erbeuteten Trophäen, welche als Zeichen des Sieges für die staunenden Bewohner von Paris im Triumph in die Hauptstadt eingeführt zu werden bestimmt waren, hier in den See versenkt wurden. Prachtvolle Verzierungen von Erz, jenen stolzen Palästen der alten Zarenstadt entnommen; merkwürdige Kanonen, die Rußland in seinen Kriegen mit dem Orient erbeutet hatte; endlich selbst jenes strahlende Kreuz des heiligen Iwan wurden hier in die sumpfige Tiefe der trüben Flut versenkt.
    Also blieb das Heiligtum doch auf seinem heimatlichen Boden! Der Versuch, es zu entreißen, war nicht gelungen. Die beschirmenden Götter und Heiligen des Landes hatten es nicht verlassen, sondern mit Schmach mußte der Feind selbst den Besitz aufgeben und bekennen: Ihr waret mächtiger als ich in meinem Übermut! Mit einem eigenen Gefühle des Grauens sah Jaromir das riesenhafte goldene Kreuz in die Wellen hinabsinken. Er dachte an die seltsamen Ereignisse, die er bei der Abnahme desselben in Moskau erlebt hatte. Hatten jene düstern Zeichen gelogen? Oder prophezeiten sie Wahrheit? Fangen die Flüche und Verwünschungen, die das Volk laut über den Frevel, der an seinen Heiligtümern verübt wurde, ausgestoßen hatte, an, in Erfüllung zu gehen? Wird das unfreiwillige Aufgeben der Beute den Zorn der beleidigten Penaten dieses Landes versöhnen? Glaubt ihr, diese Sühne sei hinreichend? Seht ihr nicht, wie zornig schwarz die Welle aufschwillt, nachdem sie das goldene Heiligtum in ihren Schoß verborgen hat? Sie wogt und gärt wie von geheimen Mächten bewegt, und ihr dumpferes Rauschen gegen die Uferwand klingt wie murmelndes Zauberwort! Wahnverblendete! Habt ihr mit dem heiligen Zeichen denn auch die Flüche von euch geworfen, die der frevelhafte Raub über euch heraufbeschwor? Sie sind nicht mitgesunken in die Tiefe dieser

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