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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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heitere Fahrt verleiht oder versagt, noch die ewigen Gestirne, nach denen er blickt, wenn die Erde in Finsternis gehüllt ist.«
    »Ganz recht,« warf Bernhard hin und schüttelte sich, weil der Herbstwind ihnen eben rauh entgegenwehte; »aber die ewigen Sterne sind kalt und leuchten auch nicht sonderlich. Man gerät oft auf Klippen, wenn man die Nase nach ihnen hinaufreckt. Glaubt aber nicht, daß dies eigentlich meine Philosophie ist; ich habe nur die, keine zu haben, als welche ich jedesmal bei den Umständen borge. So zum Beispiel jetzt, wo wir allerlei Plunder verbrennen sehen, stelle ich die Lehre auf, daß man an Plunder sein Herz nicht hängen soll. Dagegen würde ich, falls ich hier irgendwo einen gefüllten Bäckerladen wüßte, sogleich beweisen, daß er mehr wert sei als die Schatzkammer des Rhampsinit.«
    »Hungert dich?« fragte Jaromir wohlwollend; »hier ist noch Brot, das ich zu mir gesteckt. Ich esse gar wenig.« – »Nein, Lieber,« entgegnete Bernhard und lehnte die Gabe ab; »du weißt, daß ich so gut gefrühstückt habe als ihr alle. Mein Gleichnis war im Sinne der ganzen Armee gedacht.« – »Bis Smolensk, hoffe ich,« sprach Rasinski, »werden wir uns noch, wenngleich mühsam, durchkämpfen. Dort sind Vorräte. Aber horch! War das nicht ein Kanonenschuß? Wahrhaftig! Ein zweiter, dritter! Der Schall kommt aus der Gegend von Wiazma. – Sollten die Russen heran sein?«
    Alle horchten gespannt auf die fernen, dumpfen Schüsse, die die ernste Morgenstille unterbrachen. Doch bald wurde es wieder still, man hörte nichts mehr. Indessen war Rasinski sehr besorgt geworden. Bisher hatte man nur die Beschwerden einer langen, mühseligen Reise zu überwinden gehabt. Sollte aber der Feind nachgerückt sein und mit frischen Kräften das erschöpfte Heer angreifen, so war kaum abzusehen, wie man dem gänzlichen Verderben entkommen wollte. Es beruhigte ihn nicht, daß die Schüsse wieder verstummten; denn da er die Fechtart des russischen Heeres kannte, so war er überzeugt, daß wenigstens ein Trupp verwegener, schneller Kosaken auf die Nachhut gefallen sei, der zwar rasch zurückgejagt worden sein mochte, aber nichtsdestominder den Beweis gab, daß das größere Heer nicht weit entfernt sei. Nachdenklich über die Folgen, welche ein ernster Angriff haben konnte, ritt er schweigend vor den Seinigen her. »Bliski!« rief er nach einigen Minuten einem seiner Reiter zu und winkte ihm, heranzukommen. Bliski ritt in militärischer Haltung zu seinem Obersten heran und fragte, was dessen Begehr sei. »Du bist lange in Rußland gewesen, Bliski,« begann Rasinski; »kennst du genau die Straßen zwischen Malo-Jaroslawez und Smolensk?« – »Das will ich meinen! Ich habe sie wohl dreißigmal mit der Kibitke gemessen!« erwiderte der muntere Krauskopf lebhaft und mit einem gewissen Stolz, daß sein Führer von seinem Wissen Rats erholen wollte. – »Wie weit rechnet man von Malo-Jaroslawez nach Wiazma über Medyn?«– »Wenigstens einen Tagemarsch, ja es können auch zwei sein, näher als der Weg, den wir gemacht haben. Wenn die Kosaken Lust gehabt hätten, müßten sie uns schon von Wiazma bis auf den halben Weg nach Gjaz entgegengekommen sein.« – »Meinst du?« fragte Rasinski lächelnd und erfreut über den guten Verstand des Burschen, der die Bedeutung seiner Frage erriet. – »Bei der Mutter Maria, mein Oberst,« entgegnete Bliski lebhaft, »ich habe mich gewundert, daß es nicht geschehen ist. Aber wir wollten sie getroffen haben! Ich hatte mir den Säbel ordentlich gewetzt, denn ich bin's ihnen noch schuldig von dem Hieb hier über das linke Auge und dem Stich durch den Arm! Nun wer weiß, treffen wir uns bei Dogorobuye.« – »Weshalb doch?« fragte Rasinski, obgleich er sehr gut wußte weshalb. – »Weil dort die große Straße von Kaluga auf die nach Smolensk trifft. Ich denke, wir werden da etwas zu tun bekommen.« – »Wünschest du's?« – »Wenn mein Pferd und ich bis dahin wieder gut ausgefüttert werden, soll mir nichts lieber sein, aber es sieht nicht danach aus. Seht nur, mein Oberst, wie dem armen Tiere das Fleisch von den Rippen fällt; und die Hüftknochen stehen ihm heraus, daß man den Tschako daran aufhängen konnte.«
    »Tröste dich, Bliski, wir leben auch nicht im Überfluß«, sprach Rasinski freundlich. – »Ei,« rief Bliski, »nach mir frage ich nichts; denn ein fetter Reiter ist des Pferdes Gift, wie wir bei uns in der Wojwodschaft Sandomir sagen; aber meinen Gaul sehe

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