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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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der Verwüstung und des Todes zu erkennen waren.
    »Dort! Seht ihr dort den Hügel?« rief Rasinski und deutete mit dem Finger auf eine unförmliche Masse, die eben aus dem Nebel hervorzuquellen schien. »Das ist jene furchtbare Redoute, wo wir so viele der Unserigen ließen. Jetzt erst finde ich mich wieder auf diesen Feldern des Ruhms und des Schreckens, wo dreißigtausend unserer Kameraden ihr Blut vergossen!« Sie ritten näher hinüber, um noch einmal die Stätte zu betreten, die sie mit so gewaltigen Erinnerungen erfüllen mußte. Niemand sprach, jeder trug das schweigende Grausen in der Brust. Wieviel entsetzenvoller war das Schlachtfeld jetzt als damals, wo der brüllende Donner das Ohr betäubte, der ganze Himmel in Dampf und Blitz gehüllt schien und das brausende Gespann des Todes zerschmetternd über die Gefallenen dahinrollte; denn damals zeigte es das schreckende Antlitz eines zürnenden Giganten, jetzt das schaudererregende eines verwesenden .
    Als Rasinski und seine Freunde – denn das Regiment verfolgte die große Straße– näher an die Redoute kamen, vermochten die Pferde kaum zu treten vor den Leichnamen und Kugeln, die hier den Boden bedeckten. »Was mag das dort oben auf der Brustwehr sein?« fragte Rasinski, als man bis etwa auf fünfhundert Schritte an die Schanze heran war. –»Ich kann's nicht erkennen,« antwortete Regnard; »es gleicht einer durchbrochenen Pyramide.«– »Vielleicht aufgeschichtetes Holz«, meinte Ludwig. – »Wie sollte das dahin kommen?« entgegnete Bernhard, den Kopf schüttelnd. »Eine seltsame Form, wahrhaftig, die einen Maler in Verlegenheit setzen könnte!«
    Sie ritten näher; die Sonne brach jetzt mit kräftigem Strahl durch das Gewölk und schlug die schwebenden Dünste nieder. Plötzlich beleuchtete sie die Redoute mit hellem Glanz, während ringsumher alles noch in düsterm Grau lag. »Es sind Gerippe!« rief Rasinski, der bei weitem das schärfste Auge hatte. »Seht ihr, wie die vom Sturm und Regen gebleichten Gebeine schimmern?« Mit grausendem Staunen sprengten die Reiter rascher heran. Es war, wie Rasinski es gesagt hatte. Von den im Innern der Schanze aufgehäuften Leichen ragten einige hoch über den Wall empor. Ein schauderhaft spielender Zufall hatte sie mit dem Rücken gegeneinander, in halb aufrechte Stellung gebracht. Der Luft, dem Regen, dem Sturm und den Raubtieren am meisten preisgegeben, waren die Knochen fast ganz vom Fleisch entblößt, und die scheußlichen Skelette schienen nun, auf dem Leichenthrone sitzend, mit grinsendem Triumph die Wüste der Verwesung ringsumher als ihr grausenvolles Reich zu überschauen.
    Bei diesem Anblick überschlich selbst den kaltblütigen Regnard ein unheimliches, gespenstisches Grausen. Er zog die Augenbrauen finster zusammen und schüttelte sich, wie wenn ein Fieberfrost ihm durch das Mark schauerte. »Also das ist Caulaincourts Mausoleum?« sprach er endlich, da alle übrigen im starren Entsetzen schwiegen. »Kommt, laßt uns weiterreiten!« Er wandte sein Pferd.
    Rasinski war wie an den Boden gefesselt; sein Auge hing unverwandt an dem Leichenhügel. »Und das alles umsonst!« sprach er endlich, aus tiefster Brust Atem holend. »Und wir hätten also die Schlacht doch verloren!« – »Verloren?« sagte Bernhard halblaut. – »Ja, ja, verloren! Es war ein Scheinsieg, ein heuchlerisches Trugbild des blutigen Triumphs! Darum kam an jenem düstern Abende keine Freude in unser Herz! O, ihr habt nie gesiegt; ihr wißt nicht, was ein Sieg heißt! Das fühlt sich anders in der Brust. Heute erst räumen wir das Schlachtfeld! Heute, nach sieben Wochen, entscheidet sich's, wer die Schlacht verlor! Nun denn,« sprach er, sich königlich in die Brust werfend, indem er mit der erhobenen Rechten nach den Gerippen deutete, »diese Leichenberge mögen wenigstens zeugen, daß Tapfere hier gefochten haben! Den Ruhm dieses Tages soll uns keine Macht des Weltalls rauben! Denn der Ruhm ist wahr; aber das Glück ist falsch !«
    Ein edles Feuer flammte, da er diese Worte sprach, aus seinen dunkeln Augen; er warf das Haupt trotzig zurück und sprengte, ohne Teilnahme noch Zustimmung von seinen Gefährten zu erwarten, an ihnen vorbei, über die vermodernden Leichen dahin. Die Freunde merkten, daß er sich absondern wolle, und folgten ihm langsam nur von weitem. »Wahrlich, er sollte ein König sein!« rief Bernhard begeistert zu Ludwig; »hast du seinen Heldenblick gesehen? Wie er jetzt die Rechte ausstreckte, war mir, als

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