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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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und wir alle sind die Mitschuldigen.« – »Laßt sie hier!« riefen die Leute aus einem Munde; »von uns wird keiner ein Verräter.« Jetzt war das letzte Bedenken gehoben und beiden die ruhige Nacht gesichert.
    Eine große Schüssel mit warmer Abendkost für die Soldaten wurde hereingetragen; denn hier, im Magazine selbst, herrschte noch kein Mangel. Ferrand dachte sogleich von selbst daran, den beiden Gefangenen durch den redlichen Cottin einen hinreichenden Anteil von der Speise zu senden, ehe sie durch den Gedanken, man werde sie übergehen, gequält würden; denn noch immer folterte der Hunger ihren erschöpften Körper, zumal da der Duft einer lange entbehrten, wohlbereiteten Speise die ganze heftige Begier desselben aufregen mußte; deshalb wurde beiden diese Labung eine unschätzbare Wohltat.
    Denn die allmächtigen Gesetze der Natur überwältigen jeden; der Edelste, der Größeste, den die geläutertste Kraft des Willens durchdringt, muß zuletzt den Bestimmungen gehorchen, von denen sein irdischer Leib abhängt. Es gibt einen Grad, dem niemand widersteht. Was zu andern Zeiten eine leichte Selbstverleugnung, eine geringe Kraft der Entsagung, ein Spiel scheint, das wird in solchen Augenblicken zur unermeßlichen Aufgabe. Darum lächle niemand, den die Verhältnisse noch nie einer strengen Prüfung seiner tierischen Abhängigkeit unterwarfen, darüber, daß selbst in Augenblicken, wo es sich um das ganze Geschick des Lebens handelt, ein Trunk, eine Mahlzeit, ein Nachtlager, die gemeinsten täglichen Bedürfnisse des Körpers zu unwiderstehlichen Mächten werden, die die freiern Seelenkräfte in ihre unzerreißbaren Fesseln schlagen. Nur die stete Erhaltung des Gleichgewichts dieser gewaltigen Triebe läßt sie scheinbar verschwinden. So zermalmt uns selbst die leichte, ätherische Luft durch die Riesenlast ihres Druckes, wenn plötzlich das Gesetz, wonach sie ihrer eigenen Kraft den auf Atome ausgeglichenen Widerstand leistet, aufgehoben wird. Nachdem der grimmige Wolf des Hungers verscheucht war, drang der alles überdeckende, bleierne Strom des Schlafes heran und drückte die Erschöpften in betäubende Erstarrung hinab. Selbst nicht die luftigen Gespinste der Träume ließ er durch seine dichte Hülle dringen, sondern war stumm, bewußtlos wie sein Bruder, der Tod. Völliges Vergessen aber war das beglückendste Geschenk, welches eine gütige Schickung den Freunden jetzt darbieten konnte.

Elftes Kapitel.
    Noch war der Morgen nicht angebrochen, als der Sergeant Ludwig heftig beim Arme rüttelte und ihn laut anrief. Er fuhr empor; Bernhard, durch den Ruf geweckt, ebenfalls. »Ihr sollt hinauf in den Verhörsaal! Nur rasch! Hier nehmt einen warmen Schluck und einen Bissen, daß ihr munter werdet und mit Festigkeit euer Urteil hört.«
    Ludwig fand mit Mühe seine Sinne wieder; noch halb bewußtlos nahm er das dargebotene Brot und griff nach der Flasche mit warmem Met, die ihm der Sergeant reichte. Bernhard trat heran. »Dürfen wir uns jetzt begrüßen?« fragte er Ferrand. – »Soviel ihr mögt, arme Teufel! Jetzt habt ihr alles frei!« erwiderte dieser.
    Bernhard fuhr zusammen. Sollte dennoch – dachte er – aber nein, es ist unmöglich. So kann selbst solch ein Urteil nicht gefällt werden. Ludwig war ruhig. »Ist unser Urteil gesprochen?« fragte Bernhard. »Sagt es uns frei heraus, wenn ihr es wißt. Es soll der letzte Dienst sein, den ihr uns leistet. Glaubt nicht, daß wir davor zittern werden.« Doch im Sprechen zitterte er heftig – aber für den Freund, nur für ihn.
    »Ihr werdet's gleich droben hören«, lautete die Antwort des Sergeanten. – »Sagt es gleich, Lieber, ich bitte euch darum,« bat auch Ludwig sanft, aber ruhig; »wir können es dann droben mit mehr Fassung anhören, es falle günstig oder ungünstig aus. Es läßt männlicher, wenn wir weder ein Übermaß der Freude noch der Niedergeschlagenheit zeigen.«
    »Bei Gott!« rief Ferrand, »es wird mir schwer, es euch zu sagen, denn, was ihr verbrochen haben mögt, ihr seid brave Soldaten, und habt euer Wort gehalten wie Männer. Ich wollte, ihr wäret vor einer Batterie gefallen. Es ist uns auch keine Freude, auf einen Kameraden anzulegen.« – »So sollen wir erschossen werden?« fragte Bernhard bebend und seine Lippen erblaßten. – »So lautet das Urteil!« – »Heiliger Gott!« rief er aus und warf sich an Ludwigs Brust und preßte ihn heftig in die Arme. Sie hielten sich lange stumm umfaßt.
    Der Sergeant klopfte

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