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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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stehenden Sessel, rückte ihn sich heran, setzte sich ohne weiteres darauf und fing an, als sei er ganz allein im Zimmer, einen Kontertanz zu pfeifen. Beaucaire erblaßte vor Grimm. »Sergeant,« rief er nach einigen Augenblicken, »führt den Verhafteten in sein Gefängnis zurück.« Pünktlich im Gehorsam, trat dieser auf Bernhard zu und sagte ihm, nicht ohne den Ausdruck einer gewissen Ehrfurcht, die dessen keckes Benehmen ihm abdrang: »Ich ersuche euch, mir zu folgen!« – »Sehr gern, mein braver Kamerad«, antwortete Bernhard und ging mit ihm hinaus, ohne durch einen Gruß oder sonst irgendein Zeichen zu verraten, daß er von der Anwesenheit der übrigen im Zimmer auch nur die mindeste Kenntnis nähme.
    Beaucaire befahl den beiden Schreibern, abzutreten; sie gingen; er blieb mit St.-Luces allein. »Ein verwünschter Prozeß!« rief dieser, indem er aufstand; »ich sehe nicht ein, wie wir bei diesen hartnäckigen Deutschen auch nur den Schein eines Protokolls zustande bringen wollen, worauf sie verurteilt werden könnten. Ihre Leidenschaft, Beaucaire, hat uns in ein Labyrinth der unangenehmsten Verhältnisse gestürzt!«
    »Ich getraue mich, den Ausgang daraus zu finden«, entgegnete dieser kalt und nicht ohne einen gewissen Hohn der Überlegenheit seines Verstandes. »Wir haben Zeugen, daß der Gefangene dies Bild als von seiner Hand gezeichnet anerkennt. Dieser Umstand, der mir selbst die evidenteste Überzeugung gibt, daß beide Angeklagte in einer genauen Verbindung mit Dolgorow gestanden haben, wird zu einem Berichte hinreichen, der auch den Generalintendanten überzeugt. Wie? Dem einen sollte das abenteuerliche Märchen von der Art und Weise, wie er den Grafen über die Grenze führte, geglaubt werden? Man sollte seiner Versicherung trauen, daß er denselben zuvor durchaus nicht gekannt und seitdem nicht wiedergesehen habe, wenn er das Bildnis der Tochter bei sich trägt? Und der andere, der mich in Dresden irreleiten wollte, ist geständlich, das Bildnis gezeichnet zu haben? Und dennoch sollten beide so ganz ohne Verbindungen mit dieser russischen Familie sein? Wenn der trotzige Bursche sich nicht schuldig fühlte, weshalb entfloh er denn mit jenem zugleich aus Dresden? Weshalb treffen wir sie beide hier beisammen? Wenn ich daraus nicht einen Bericht zusammenstellen sollte, der bis zur Evidenz dartut, wie eine höchst vertraute, fortgesetzte, vielleicht noch in diesem Augenblicke genährte Verbindung beider mit Dolgorow stattfinden muß, so will ich mich für zu dumm zum Landpfarrer erklären lassen. Sie und ich selbst, die wir in der Stille für uns doch die gegründetsten Ursachen haben müssen, an die mögliche Unschuld beider zu glauben, müssen jetzt anderer Meinung werden; welcher dritte vermöchte es, auch nur mit einigem Schein eine entgegengesetzte Ansicht zu verteidigen? Lassen Sie uns zwei Stunden, und ich bürge Ihnen für die Zustimmung des Generalintendanten.«
    »Führen Sie die Sache nur nicht zu weit,« antwortete St.-Luces ein wenig bitter; »von noch fortdauernden Verbindungen wollen wir wenigstens nichts erwähnen. Wer zu viel beweisen will, beweist am Ende nichts.«
    »Herr von St.-Luces,« entgegnete Beaucaire empfindlich, »das lassen Sie meine Sache sein. Der Umstand, daß wir die beiden Leute gerade hier treffen, hier in Smolensk, in dessen Nähe ein Teil der Güter Dolgorows liegt, darf doch wohl nicht unerwähnt bleiben.« – »Sie haben mir selbst gesagt,« antwortete St.-Luces, »daß Sie nie auf diesen Gütern gewesen sind, sogar die Namen derselben nicht genau kennen –« – »Es ist wahr,« unterbrach ihn Beaucaire kalt; »aber meine Unkenntnis in dieser Hinsicht wird sich genügend dadurch rechtfertigen, daß ich erst in London in die Dienste Dolgorows trat, also seine heimatlichen Verhältnisse, da ich ihn nur auf Reisen begleitete, am wenigsten kennen lernen konnte. Auch war ich niemals sein Sekretär in Beziehung auf seine Familien- und Vermögensangelegenheiten, weil er diese selbst besorgte. Je unbestimmter meine Kenntnis in dieser Hinsicht ist, je größer wird das Feld der Mutmaßungen. Wüßte ich genau, wo und wie weit von hier Dolgorows Schloß liegt, so dürfte ich nicht darauf hindeuten, daß es ganz in der Nähe gelegen sein kann, daß uns von dort aus möglicherweise Verrat und Überfall durch Einverständnis mit Russen in der Stadt bedrohen kann.«
    St.-Luces ging verdrießlich und unruhig auf und nieder. »Ich weiß nicht,« erwiderte er nach einigen

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