1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Bernhard gutmütig auf die Schulter und sprach: »Nehmt euch zusammen, Kamerad, der Tod ist uns allen nahe; wer weiß, ob ich euch lange überlebe! Gönnt es denen da oben nicht, daß ihr so davor zittert!« – »Zittern?« fragte Bernhard und sein Auge rollte. »Wenn ich nicht vor Grimm oder Frost zittern muß, so soll nicht ein Haar auf meinem Haupte zittern! Fort! Hinauf! Sie mögen uns das Todesurteil vorlesen. Ihr sollt Zeuge sein, ob die Pfeile meiner Blicke nicht schärfer in das Herz der Buben dringen sollen als euere Kugeln in meine Brust! Aber hier will ich weinen an der Brust meines Freundes, und um ihn und um seine unglückliche Schwester«, rief er und warf sich von neuem an Ludwigs Brust, und seine Tränen strömten. – »Bernhard!« sprach Ludwig endlich und schien die Worte gewaltsam aus seiner Brust zu reißen: »Bernhard! Also mußte ich dich in den Tod reißen! Mein Herz blutet, es ist zerrissen von tausend Wunden – o du weißt das alles ja am besten! Aber jetzt, mein Geliebter, jetzt muß auch der Schmerz um dich dem Gebot der Ehre und Männlichkeit weichen. Halte es für einen Verrat an deiner großmütig aufopfernden Freundschaft, wenn du mich ruhiger, kälter siehst, als ich bin. Dein inneres Auge blickt in die Tiefe meiner Brust; aber kein anderes soll die Qual erraten, die mich verzehrt. Unser Tod muß unser Triumph sein!«
»Bei Gott! das soll er«, rief Bernhard und erhob die Hand wie zum feierlichen Schwur. »Selbst Marie, die weinende Heilige, soll mein Herz nicht mehr weich machen. – Komm! Wir wollen wie Spartaner den grimmigen Zahn des Raubtiers in unsern Eingeweiden wühlen lassen und keine Miene verziehen.«
Entschlossenen Schrittes folgten sie ihrem Führer hinauf in den Verhörsaal. Sie fanden ihn leer, doch lagen einige Papiere auf dem Tisch. »Der Brief dort enthält das Todesurteil«, sprach der Sergeant und deutete auf ein zusammengefaltetes, aber aufgebrochenes Schreiben. »Er ist vom Generalkommissar. Vor einer Viertelstunde kam er an. Ich trug ihn selbst herauf und hörte, wie ihn der Baron von St.-Luces vorlas.« – »Ich möchte ihn lesen!« sprach Ludwig. – »Laßt mich erst zusehen, ob wir nicht überrascht werden können; die Tür des Nebenzimmers hören wir aufgehen, wenn sie kommen.«
Er öffnete die Tür des anstoßenden Gemachs und blickte hinein. »Sie sind noch drüben; lest aber schnell.« Ludwig nahm den Brief. Er lautete: »Ich habe dem Kaiser Ihren Bericht vorgelegt. Wenn der Verdacht dringend ist, so sollen die Delinquenten ohne weiteres erschossen werden, denn es bedarf eines Beispiels«, war seine Antwort. Nach Ihrer, wie ich hoffe, gewissenhaften Darstellung der Verhältnisse ist die Schuld keinem Zweifel unterworfen. Wir haben hier nicht Zeit noch Raum, uns auf lange Untersuchungen einzulassen, noch Kriminalgefangene mit uns zu führen. Lassen Sie daher die Exekution sofort, mit Tagesanbruch vor der Mauer vollziehen, damit es kein Aufsehen gibt. Der Anblick der Vollstreckung könnte Aufregungen hervorbringen; nach der Tat wirkt nur der Schrecken still fort und das Beispiel erhält eine ungestörte Wirksamkeit, besonders wenn man es heraushebt, daß deutsche Verräter bestraft worden sind.. Denn die Anhänglichkeit der deutschen Truppen ist nicht zu groß; die Furcht muß sie treu erhalten. Seien Sie selbst bei der Vollziehung des Urteils zugegen und senden Sie mir augenblicklich das Protokoll darüber, damit ich es dem Kaiser vorlegen kann.«
»Also etwa eine Stunde würden wir noch Atem holen«, sprach Bernhard, als Ludwig den Brief wieder auf den Tisch gelegt hatte. »Nun, mir soll's nicht allzu schwer werden, dieser Sonne zu entsagen. Ja, wenn es noch ein Frühling in Italien wäre – aber ein Winter in Rußland. Die Welt hat mehr Jammer als Freude; wer über beides quittiert, gewinnt in den meisten Fällen. Zumal ich.«
Ludwig konnte die Absicht des Freundes, ihn dadurch, daß er das strenge Schicksal so leicht nahm, zu trösten, nicht verkennen. Sie rührte ihn tief, doch blieb er fest. »Du hast recht! Ein Frühling in Italien! Der ist wohl schön!« Er verlor sich in tiefes Sinnen.
»Es wundert mich, daß noch niemand kommt«, sprach Bernhard nach einiger Zeit ungeduldig. – »Sie setzen das Todesurteil auf, damit alles in Ordnung geschehe. Es wird euch verlesen werden«, bemerkte der Sergeant. – »Versteht sich! Alles in bester Form! Es lebe die Gerechtigkeit! Wird man uns nicht etwa auch einen Beichtvater schicken?« fragte
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