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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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zu erreichen, wo ich mich versteckte, bis alles still war. Dann schlich ich vorsichtig weiter, so gut ich konnte und wußte, nach der Straße zu. Solange es dunkel war, ging es, aber am Tage schien der Wald ordentlich lebendig zu werden von dem russischen Raubgesindel, und ich mußte kreuz und quer, durch Wald und Feld, vor und zurück, um ihnen nur zu entgehen. Noch vor einer Stunde waren sie mir dicht auf der Ferse. So war ich ganz irre geworden und verzweifelte, die Landstraße zu erreichen. Nun aber hoffe ich mit Gott in dieser Nacht noch bis Smolensk zu kommen. Dann will ich mich in Reih und Glied halten und lieber hinstürzen vor Qual oder Hunger und ehrlich als Soldat sterben, als noch einmal in die Hände dieser wilden Bestien fallen! Ich bin kein feiger Bube; aber geschlachtet werden, ist doch ein greuliches Ende, und ein Soldat mag doch nicht gerade sterben wie ein Mordbrenner. Was meint ihr?«
    Bernhard, durch die Nahrung gestärkt, durch die Erzählung dieser Wechselfälle zwischen Rettung und Untergang aufgeregt, hatte im Augenblick seine frische Hoffnung wieder. »Wahrlich nicht, Kamerad!« rief er; »aber es hat auch noch Zeit damit. Ihr werdet euer Ziel erreichen, und ich das meinige. In jetziger Zeit, wo jede Minute gefährlich ist, darf man nicht verzagen, wenn einen auch der Tod schon am Schopf hat. Man läßt ihm den Mantel und reißt sich doch wieder los.«
    »Freilich! Es lebe der Mut! Aber was sagtet ihr da von euerm Ziel? Wohin wollt ihr? Nicht vorwärts?« – »Nein!« – »Zurück? In dieses Teufelsland wieder hinein? Seid ihr bei Sinnen?« – »Mir ist der Tod hier gewisser als dort.« – »Wieso?« Bernhard besann sich einen Augenblick, dann erzählte er dem Freunde in der Not, überzeugt, daß dieses ehrliche Soldatenherz ihn nicht verraten werde, offen den Zusammenhang seiner Geschichte.
    »Verfluchte Brut! Otterngezücht! Giftschwämme, dieses Schreibergesindel!« fluchte der derbe, ehrliche Soldat, als Bernhard seine Erzählung geendet hatte. »Aber das darf euch nicht kümmern! Dort hinein droht Gefahr auf jedem Schritt, denn die wütenden Bauern liegen wie die Buschneger hinter den schwarzen Tannengebüschen. Ein einzelner kommt nicht durch. Darum rate ich euch, kommt mit nach Smolensk. Wer kennt euch? Zieht meinen Pelz an, wenn wir ins Tor marschieren, und bindet euch ein Tuch über das Gesicht. Was fragt jetzt einer nach dem andern? Jeder hat genug mit sich selbst zu tun. Haben wir nicht leider Gottes Tausende von Nachzüglern? Frisch, geht mit mir! Ich will euch schon unterbringen, so wahr ich Jean Lacoste heiße und aus der Normandie gebürtig bin! Kommt, laßt uns aufbrechen. Es wird dunkel und wir haben ausgeruht und je näher an Frankreich, je besser!«
    Bernhard überlegte. Er hatte das niederdrückende Gewicht gänzlicher Einsamkeit und Hilflosigkeit soeben zu tief empfunden, um nicht mit einer fast unwiderstehlichen Gewalt zu dem Entschluß bestimmt zu werden, Not und Gefahren wieder in kameradschaftlicher Gemeinschaft zu tragen. Einen Tag hoffte er doch sich in Smolensk verbergen zu können, und am nächsten schon traf Rasinski wieder ein. Vielleicht erfuhr er auch Ludwigs Schicksal – kurz, er entschloß sich, sein Los mit dem des neuen Gefährten zu verbinden.
    Sie brachen auf und wanderten im Gespräch miteinander hin. Plötzlich hörten sie den Ton einer schrillenden Pfeife aus dem Walde. Bernhard horchte erstaunt auf; Lacoste aber packte ihn an dem Arm, zog ihn rasch vorwärts und rief: »Lauf, lauf, was die Sehnen halten wollen. Sie sind uns, weiß Gott! wieder auf der Ferse.« Unwillkürlich folgte Bernhard dem raschen Schritt seines Gefährten, obwohl er an die nahe Gefahr noch nicht glauben wollte, da er bisher noch auf keine Spur eines feindlichen Überfalls dieser Art geraten war. »Wenn wir nur dort erst um die Ecke sind,« meinte Lacoste im Forteilen, »so können wir uns gleich links in den Wald werfen; aber hier ist zum Unglück auf dreihundert Schritt kein Busch zu erreichen, und auf dem Schnee sieht man uns zu weit, trotz der anbrechenden Nacht.«
    Das Pfeifen wiederholte sich jetzt und wurde von der andern Seite der Straße beantwortet. »Wahrhaftig, es ist, als ob wir in Kalabrien wanderten und eine Rotte Banditen uns überfallen wollte«, rief Lacoste. »Doch diese Kerle sind noch schlimmer! Ich sehe lieber ein Dutzend Wölfe mit aufgesperrtem Rachen hinter mir herjagen, als ich ein Kosakenpferd hinter meinem Rücken höre. Aber wird der Wald da

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