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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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er sie zu seinem Leidwesen mit vielen andern gemischt: ein Zeichen, daß man den Armen heftig verfolgt hatte. Noch eine ganze Strecke zogen sie sich in den Wald hinein, dann hörten sie auf und wandten sich sichtlich zurück. Unschlüssig stand Bernhard still und überlegte, ob er es wagen dürfe, ihnen auch aus dem Walde hinaus nach der offenen, Straße zu folgen. Er untersuchte, ob nicht vielleicht die Fußtritte Lacostes aus diesem ziemlich durchwühlten Schneeflecken allein weiter in den Wald führten. Doch er fand kein Zeichen dieser Art. »So wäre denn der Unglückliche doch in die Hände seiner grausamen Feinde gefallen?« Eine Stimme im Innern Bernhards sagte ihm, daß er ihn, der sein Retter gewesen, nicht verlassen dürfe, sondern ihm wenigstens noch so weit nachforschen müsse, als es, ohne sich selbst unrettbar preiszugeben, geschehen könne. Daher folgte er den Fußtapfen, die nach der Landstraße zu führten, jedoch mit Vorsicht und jeden Augenblick scharf aufhorchend. Da war es ihm, als höre er ein leises Seufzen. Er blieb stehen und lauschte. Wahrlich, es wiederholte sich! Er täuschte sich nicht, ein lebendes Wesen mußte in der Nähe sein. Mit vorgebeugtem Haupte ging er dem Schalle nach; jetzt vernahm er das Ächzen dicht neben sich, doch sah er niemand auf dem Boden liegen. Der Schnee war aufgewühlt von vielen Tritten; eine mächtige Fichte stand wenige Schritte seitwärts. Dorther kam das Stöhnen; Bernhard ging um den Baum herum, der von der andern Seite freier stand; doch mit einem unwillkürlichen Ruf des Entsetzens bebte er schaudernd zurück, als er im halben Lichte des Schnees und der Dämmerung einen blutigen, halbnackten, menschlichen Körper, der an den Baum gebunden zu sein schien, wahrnahm. Grausend, doch mit Selbstüberwindung trat er näher. Da sah er zu seinem Entsetzen, daß der Unglückliche an den Stamm gepfählt war, und als er ihm ins Antlitz blickte, erkannte er seinen Retter und Gefährten.
    »Allmächtiger Gott!« rief er laut aus, und hatte Mühe, sich auf den Füßen zu erhalten. »Lebst du noch, Freund? Kann ich dich retten?« Der Sterbende nickte schwach mit dem Haupte, zum Zeichen, daß er den Gefährten erkenne; doch vermochte er nicht zu sprechen. Schaudernd, doch es mußte sein, faßte Bernhard den abgebrochenen Schaft einer Pike, die dem Unglücklichen durch die Schulter gebohrt war, und zog ihn heraus. Doch ein zweites Eisen war durch die Lende geschlagen und wollte anfangs der angestrengtesten Kraft nicht weichen; endlich gelang es ihm, auch dieses herauszureißen. Da sank der Erlöste matt in die Knie; Bernhard fing ihn in seinen Armen auf und ließ ihn sanft auf den Boden, mit dem Rücken gegen den Baumstamm gelehnt, niedergleiten. Noch zweimal schöpfte er tief Atem, dann fiel das Haupt ihm lautlos auf die Brust herab; er hatte geendet. Bernhard hielt ihn noch lange an seiner Brust und lauschte, ob das entflohene Leben nicht zurückkehre; umsonst. Es war nicht Schmerz, was ihn durchdrang; es war dumpfe Betäubung des Entsetzens. Die Leiche im Schoße, blickte er starr vor sich hin; keine Träne drang in sein Auge, er ließ keinen Seufzer hören. Es war grabesstill; selbst der Wind sauste nicht mehr in den Wipfeln. Finsteres Gewölk lagerte schwarz, unbeweglich über dem Himmel. Da flatterten zwei Raben heran und umkreisten den Gipfel der hohen Fichte, als harrten sie schon auf die Beute. »Ihr sollt diese Leiche wenigstens nicht verstümmeln!« rief Bernhard und stand auf. Mit seinem Stabe und den eigenen Händen und Füßen grub er eine breite Furche unter der Fichte in den tiefen Schnee. Dann ordnete er Haar und Kleidung der Leiche. Als er das Hemde zuknöpfen wollte, ritzte er sich an einer Nadel. Er fühlte näher hin und entdeckte, daß der wackere Krieger seinen höchsten Schatz, das Kreuz der Ehrenlegion, inwendig im Hemde mit einer Stecknadel befestigt hatte. »Du sollst die Gruft des Tapfern schmücken,« sprach er, »und wenn nie ein Sterblicher mehr vorüberwandern sollte.« Jetzt legte er den Leichnam in die kalte Gruft und wälzte hohe Schneemassen darüber, bis sie einen weißen, festgedrückten Hügel bildeten. Mit demselben Eisen der Pike aber, das dem Toten die Schulter durchbohrt hatte, heftete er das Band und Kreuz an den Stamm der Fichte, so daß das Ehrenzeichen über der Grabstätte schimmerte.
    Mit verschränkten Armen stand Bernhard vor dem Schneehügel. »Ruhe nun unter dieser kalten Hülle, bis der Frühling sie schmilzt, und Grün

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