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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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hinunter; zweihundert Schritte von hier ist die Straße.« – »Gelobt sei Jesus und Marie! Und wie weit ist es noch?« – »Vier Stunden.« – »Schwärmen Kosaken auf dem Wege?« – »Nein, nicht daß ich wüßte.« – »Barmherziger Gott! So willst du mich dennoch retten?« Mit diesen Worten sank der Krieger auf die Knie und hob den Blick dankbar gen Himmel, und große Tränen rollten über seine Wangen. »Hier Freund, nimm,« sprach er einen Augenblick darauf und eilte mit einem Stück Brot in der Hand auf Bernhard zu; »du hast mich erquickt, ich will dich erquicken. Nimm, und hier ist auch zu trinken!« Zugleich zog er eine Flasche mit Branntwein aus dem Busen hervor und reichte beides Bernhard herüber.
    »So soll es doch nicht hier zu Ende sein?« sprach dieser gerührt. »Dank dir, Freund, du bist mein Retter!« – »Und du der meine.« – »Aber woher kommst du dort aus dem Walde?« fragte Bernhard. – »Siebenmal aus dem Rachen der Hölle«, erwiderte der Gefragte und setzte sich zu Bernhard nieder. »Vorgestern trieb mich der Hunger mit vielen andern Kameraden aus den Reihen des Regiments, um in den zur Seite gelegenen Dörfern Speise aufzusuchen. Da fiel plötzlich mitten im Walde eine Horde Bauern über uns her; sie schlugen und metzelten nieder, wen sie trafen. Wir stäubten nach allen Seiten auseinander, da kamen auch Kosaken herbei und hetzten uns mit ihren kleinen raschen Pferden, wie der Schäferhund die versprengten Schafe, um uns den wütenden Muschiks in die Hände zu treiben.«
    »Doch ihre erste Mordlust war gesättigt; sie jagten uns mit Kantschu- und Knittelhieben auf einen Haufen zusammen, koppelten uns aneinander wie die Jagdhunde und trieben uns so vor sich her. Wir wähnten, sie hätten Erbarmen mit uns und wollten uns als Gefangene fortführen. Aber es war ein Irrtum! Nachdem wir in einem zwei Stunden von der Straße entfernten Dorfe angelangt waren, plünderten sie uns so aus, daß wir halb nackt in der grimmigen Kälte standen und die Zähne uns klappernd gegeneinander flogen. So sperrten sie uns alle zusammen in die Kirche ein. Wir kauerten uns eng zusammen und suchten einander zu erwärmen. Aber es dauerte nicht lange, so wurden zwei von uns herausgeführt. Bald darauf hörten wir schießen, doch einzeln in langen Pausen, und nach jedem Schuß teilte ein wildes Geschrei und Gebrüll die Luft. Anfangs konnten wir nicht begreifen, was dies bedeute; doch da ich mit Hilfe einiger Kameraden zu einem kleinen Fenster hinangeklettert war, sah ich, daß – beim Teufel, Kamerad, der Grimm preßt mir noch jetzt die Zähne gegeneinander – ich sah, daß sie unsere Kameraden an einen Baum gebunden hatten und wie nach der Scheibe auf sie schossen!« Bernhard erblaßte. »Ich nahm mich zusammen und verriet nichts, denn zu helfen war doch nicht mehr. ›Ein Scheibenschießen, weiter nichts!‹ warf ich hin, aber es kochte wild in meiner Brust. Die Tür ging wieder auf, und die Bluthunde führten abermals zwei Schlachtopfer heraus. Ich schwieg, weil es schon dunkel wurde und ich uns in der Nacht zu retten dachte. Wirklich waren dies die letzten von uns, die da bluten mußten. In der Nacht brachen wir die Tür auf, die uns nach dem Turm führte, und am Glockenseil gelang es uns, uns in der Stille herabzulassen. Die Schildwache vor der Kirche war eingeschlafen. Ich stieß ihr ihr eigenes Seitengewehr ins Herz, daß der Kerl auch nicht mehr zuckte. Jetzt warf ich den Pelz des Russen über, nahm seine Waffen und ging damit an das Wachthaus am Ende des Dorfes. Meine Kameraden ließ ich still nachfolgen. Hier lag alles schnarchend und besoffen durcheinander, Bauern und Kosaken. Die Mäntel und Pelze hatten sie auf einen Haufen geworfen, denn es war eine erstickende Hitze in der Stube. In der Ecke stand ein Korb mit Brot, und Branntweinflaschen, teils gefüllt, teils leer, lagen überall umher. Ich hatte anfangs nur gedacht, aus Rache für die Gemordeten das ganze Gebäude in Brand zu stecken; da aber jetzt die Gelegenheit günstig war, holte ich noch drei Kameraden und dann packten wir so viele Kleider und Lebensmittel auf, als wir konnten, und trugen sie hinaus. Eilig flüchteten wir mit unsern Schätzen in einen nahen Busch, teilten redlich und kleideten uns an. Nun suchten wir das Weite. Aber die Bauern mußten unsere Flucht zeitig bemerkt haben, denn plötzlich waren sie dicht hinter uns. Alles stürzte davon, jeder flüchtete, wohin ihn der Zufall führte. Es gelang mir, einen dichten Busch

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