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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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leichte Spur seiner Freunde gab ihm neue Hoffnung. Also hatte Rasinski hier Rast gehalten. Da er erst nachmittags aus Smolensk ausgerückt war, mußte er die Nacht hier biwakiert haben und war vielleicht kaum einen halben Tagemarsch von der Stelle entfernt.
    Hätte Bernhard jetzt nur einige Bissen Speise gehabt und einige Stunden ruhen können, so würde er die Freunde vielleicht noch in der Nacht erreicht haben. Doch so war er durch körperliche Anstrengungen zu erschöpft, der so erschütternden Gemütsbewegungen nicht zu gedenken. Jetzt zum erstenmal fühlte er, daß sein trotziger Mut wanke. Die Abspannung der körperlichen Kräfte wirkte ermattend auch auf die Seele, die tiefe Einsamkeit warf ihre düstern Schatten in seine Brust; die Anregung, durch entschlossenes Beispiel das Verzagen anderer zu hindern, blieb aus, und mit dem fehlenden Sporn schwand auch die Kraft. Schweigend, die Arme finster übereinandergeschlagen und sich, weil der Frost ihn schüttelte, in sich selbst zusammenkrümmend, saß er auf einer halbeingestürzten Mauer und blickte finster vor sich hin.
    Ringsum lautlose Stille; der dunkle Tannenwald stand schauerlich erstarrt da und die Zweige senkten sich matt unter der Last des Schnees; graues Nebelgewölk zog langsam, tief herabgedrückt, über den Waldspitzen dahin. Der Atem war entflohen aus der Brust der Natur; eine Leiche lag sie da, starr, ohne Wärme, ohne Liebe. »Und was ist's denn mehr,« sprach Bernhard plötzlich aufstehend und trat entschlossen vorwärts; »schlummern denn nicht Tausende hier umher? Was willst du dich sträuben, in die kalten, ausgebreiteten Arme des Todes zu sinken? Die Qual wird kurz sein! Einen Augenblick ruhe entschlossen an seiner Brust und dein warmes Leben ist eingesogen von der ehernen Erstarrung, und Schmerz und Lust sind vorüber. – Du willst weich werden! Weil hinter diesen grauen Schleiern noch der blaue, sonnige Tag ruht, den du auch einst gesehen? Weil freundliche Gestalten an der Grenze dieser Öde stehen? Warst du denn glücklich, als du unter ihnen im Licht weiltest? Trugst du nicht stets den Schmerz in verhüllter Brust? Tröstete und erquickte dich denn der bunte Schimmer des Lebens? Tropfen netzten deine Zunge, aber der brennende Durst wurde nicht gestillt und das Labsal diente nur, die Qual zu schärfen. Und doch schauderst du, da sich jetzt der Glockenhammer hebt, um die Stunde deiner Ruhe, deiner Erlösung anzuschlagen? Will denn das Reis der Hoffnung auch in dieser Eiswüste nicht erstarren? Reicht deine Manneskraft nicht aus, diesen schwachen, verglommenen Funken ganz zu ersticken? Schäme dich! Blicke das Gespenst mit dem Auge des Mannes an und es sinkt zusammen in den Staub des Nichts! Nur in deiner Brust lebt es, du siehst nur das hohle Spiegelbild der selbstgeschaffenen Schrecken, die du in dir trägst. Zerschmettere mit wilder Faust das trügerische Glas und die Wahngestalten sind vernichtet!«
    Vergebens kämpfte die Gewalt des Gedankens gegen die Macht der Wirklichkeit. Vergebens versuchte der Geist die Fesseln zu sprengen, die seinen freien Fittich in das Gefängnis des Körpers und der Sinne schmieden. Sie ließen ihn nicht los aus ihrer Macht und trotzten auf ihr altes Recht, mit ihm zugleich zu herrschen, bis der Tod die Siegel des für die Erde geschlossenen Bündnisses gelöst hat.
    So blieb denn das Gespenst schauerlich vor Bernhard stehen, und er fühlte, wider Willen, wie das Grauen still durch seine Brust schlich und tiefer und tiefer in das Herz drang. »So sei es denn dieser Baumstamm!« sprach er finster vor sich hin, hüllte sich zusammenschauernd dichter in den Mantel und warf sich wieder auf den Boden hin.

Drittes Kapitel.
    Kaum aber lag er, als er das Gebüsch rauschen hörte und gleich darauf menschliche Fußtritte vernahm. Er fuhr auf und blickte umher. Da teilten sich die Tannenbüsche vor ihm, und eine seltsam abenteuerliche Gestalt, in einen grauen Pelz gehüllt, ein rotes Tuch um den Kopf gewunden, trat, vorsichtig nach allen Seiten umschauend, heraus. »Ihr da!« rief er in französischer Sprache herüber gegen Bernhard. »Lebt ihr, oder seid ihr eine Leiche?« – »Ich lebe«, erwiderte Bernhard und richtete sich mit Mühe auf. – »Es sieht aber aus, als würde es nicht mehr lange dauern«, antwortete der Soldat. »Seid ihr matt vor Hunger?« Bernhard nickte mit dem Kopfe. »So kann ich euch helfen,« sprach der andere und trat näher; »aber sagt mir, wo geht der Weg nach Smolensk?« – »Dort

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