Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
nicht lebendig drüben. Krabbelt's nicht wie in einem Ameisenhaufen?« – »Du irrst, Freund,« antwortete Bernhard, »es bleibt alles totenstill.« – »Es ist eine Schande, Furcht zu haben,« murmelte Lacoste ingrimmig dumpf vor sich hin; »aber ich kann's nicht leugnen. Wo gar nichts zu gewinnen ist, nicht einmal Ehre, wohl aber alles zu verlieren, da tritt mir's doch ein bißchen kalt ans Herz, und ich fange an zu sehen, was ich mir einbilde. Das macht, ich habe das verfluchte Gesindel heute schon wenigstens sechsmal so aus dem Busche herauskriechen sehen, wie die Regenwürmer nach einem Gewitter aus der Erde. Ich glaube, in jedem Baumstamme lauert ein Muschik.« – »Nun, Gott sei Dank! jetzt haben wir die Ecke. Laßt uns hier seitwärts in den Busch hinein, wir können so immer die Richtung neben der Straße halten.«
    Als sie sich sicher glaubten, fingen sie an langsamer zu gehen. »Kamerad, du hast da einen goldenen Ring am Finger stecken; hüte dich, daß er dir nicht zu eng sei,« fing Lacoste nach einigen Minuten an; »ich habe gesehen, wie sie meinem Kapitän, der seinen Trauring trug, kaltblütig den Finger herunterschnitten, da der Ring nicht gleich übers Gelenk wollte. Man kann nicht wissen, was kommt, also wirf das Ding lieber weg, oder verstecke es.«
    Der Gedanke, daß er diesen Ring verlieren könne, dereine so wundersame Bedeutsamkeit für ihn hatte, fiel Bernhard schwer auf das Herz. »Wegwerfen,« sprach er, »kann ich ihn nicht, denn er ist mir unendlich teuer; und wo sollt ich ihn verbergen, daß ihn die Habsucht nicht fände?« – »Das ließe sich wohl machen. Ihr habt starkes, langes Haar, da läßt er sich vielleicht verstecken. Zeigt her, ich will ihn euch einknüpfen; auf eine glatte Frisur kommt jetzt ja nicht soviel an.« Bernhard zog den Ring ab und Lacoste knüpfte ihn, indem er ein Büschel Haare durch die Öffnung steckte und dann einen Knoten um den Reifen schlang, in Bernhards reichem Haupthaar fest. »Aber ist er auch sicher? Wird er nicht verloren gehen?« fragte dieser besorgt. – »Wenn ihr den Haarzopf, an dem er hängt, nicht ausreißt, gewiß nicht; und versteckt ist er so tief, daß ein Rabe, der Gold stehlen wollte, ihn nicht entdecken würde. Freilich die Finger der Kosaken sind – Teufel! St! Um Gottes willen still! Hört ihr nichts?« unterbrach er sich, plötzlich stillstehend und den Finger auf den Mund legend, mit fast unhörbarer Stimme.
    Bernhard schüttelte das Haupt. Doch gleich darauf vernahm er wirklich ein dumpfes Murmeln, als ob mehrere Stimmen von fernher im Gespräch herankämen. »Man kommt,« flüsterte Lacoste; »keinen Schritt von der Stelle! Vielleicht gehen sie an uns vorüber.« Mit diesen Worten schmiegte er sich in das dichte Gebüsch hinein, und Bernhard folgte seinem Beispiel.
    Kaum hatten sie das Versteck erreicht, als auch schon ein Trupp von zehn bis zwölf Bauern, mit Piken bewaffnet, sichtbar wurde. Das Herz schlug den beiden Flüchtlingen hörbar gegen die Brust. Doch hofften sie, Dämmerung und Gebüsch würden sie verhüllen. Da schlug plötzlich ein Hund an, kam schnuppernd durch den Schnee und blieb bellend vor dem Busche stehen. Die Bauern horchten auf und sahen sich um. »Jetzt hilft uns nichts mehr als Flucht; du links, ich rechts!« rief Lacoste, »daß wir sie teilen«; und im gleichen Augenblick tat er auch schon einen Sprung aus dem Gebüsch und lief, was seine Kräfte vermochten, tiefer in den Wald hinein. Der Hund folgte seiner Spur mit lautem Gebell; Bernhard, der Weisung des gewandten Gefährten gehorsam, schlug ebenso rasch eine entgegengesetzte Richtung ein. Ohne sich umzusehen, eilte er durch den tiefen Schnee und die dichten Gebüsche vorwärts, bis ihm der Atem versagte. Jetzt stand er still und blickte lauschend und horchend ringsumher. Alles war tot wie das Grab. Er hörte weder Hundegebell noch Menschenstimmen mehr; nur das schauerliche Rauschen des Nachtwindes strich durch die Wipfel der hohen Tannen. Behutsam wagte er sich wieder in der Richtung nach Smolensk zu, weil er dort auf seinen Unglücksgefährten zu treffen hoffte. Bald stieß er auf seine eigenen Spuren im Schnee. Diesen folgte er mit Vorsicht, jeden Augenblick lauschend, ob Feinde in der Nähe seien. Doch der Wald war wie erstorben. Die Spuren leiteten ihn nach einer starken Viertelstunde auf den Fleck, von dem aus er geflüchtet war. Zu seiner Freude entdeckte er auch Lacostes Spuren und durfte hoffen, ihn aufzufinden. Er folgte ihnen; bald sah

Weitere Kostenlose Bücher