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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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sein Pferd dicht an den Schlitten, hielt einem der Männer die Pistole vor das Angesicht und sprach deutsch: »Wir beide sind nicht, was wir scheinen wollten; es muß sich jetzt zeigen, ob wir Freunde oder Feinde sind. Nochmals frage ich –« Doch mitten in seinen Worten unterbrach ihn ein jubelnder Ausruf der Freude. »Rasinski, Rasinski!« tönte es von den Lippen des Angeredeten, und Ludwig warf sich außer sich vor Freude an seine Brust. Zugleich hörte er auch Bernhards Stimme, der einen raschen Sprung vom Schlitten herab tat, um sich von der andern Seite an ihn zu drängen. Rasinski sprang vom Pferde und drückte den Freund in heißer Umarmung an sein Herz. »O Gott, welchen Dank bin ich dir für diese Gnade schuldig«, rief er tiefbewegt, und Tränen der Freude rollten über seine männliche Wange.
    Wie drängten sich Fragen und Erzählungen der wunderbarsten Geschicke jetzt in wenig Minuten zusammen! Das Herz vermochte nicht so schnell zu fassen und zu empfinden, was die geflügelten Worte entdeckten! Die drohendste Gefahr des Todes, die unglaublichste Rettung, das Auffinden der geliebtesten Wesen, neue Gefahren und Rettungen von der einen Seite; dagegen von der andern unaussprechliche Sorgen, düsterer Gram, furchtbare Kämpfe und Bedrängnisse, und jetzt, am mächtigsten durch die lebendige Wirklichkeit, dieses Wiederfinden der Freunde an der Schwelle der Rettung.
    »Lebt Jaromir? Wo ist Boleslaw?« fragten Bernhard und Ludwig aus einem Munde. Jetzt erst erinnerte sich Rasinski, daß ein Heer ihm auf dem Fuße folge; er wandte sich um, deutete nach dem Walde zurück und antwortete: »Dort sind sie bei den Unserigen.« Eben sah man die ersten Reiter debouchieren. Rasinski saß hierauf wieder auf und eilte, dem Marschall Bericht über die Aussage des Führers abzustatten. Dann suchte er Jaromir auf, den er am Wagen bei Boleslaw haltend antraf, so daß er beiden zugleich die freudige Kunde überbringen konnte. Die Jünglinge eilten, der Führung Rasinskis folgend, zu den Freunden und begrüßten sie mit der stürmischen Liebe der jugendlichen Brust. Es war seit langer Zeit der erste lichte Augenblick der Freude in Jaromirs und Boleslaws gebeugter Seele. Rasinski gewährte ihnen Muße, sich ihrem Glücke zu überlassen, indem er selbst sich der kriegerischen Sorge für die Truppen unterzog.
    So erfuhren die Jünglinge nun ebenfalls die an das Wunder grenzenden Erlebnisse ihrer beiden innigsten Freunde und durften die Braut und Schwester derselben mit offener Herzlichkeit begrüßen. Auch Bianka fühlte sich glücklich in dem Glück derer, die ihr die Liebsten auf der Erde waren, und sie atmete frei auf, da sie erst jetzt ihre Rettung vollendet glaubte; denn noch mancherlei Gefahren hatten die Flüchtenden, seit sie das Jagdschloß verließen, bestanden. Bernhards Wunde raubte ihm doch so weit die Kräfte, daß es ihm unmöglich war, die Reise sogleich fortzusetzen. In Gregors gastfreundlichem Hause fanden sie zwar ein Obdach, aber nur ein unsicheres, da sie schon am folgenden Tage erfuhren, daß Dolgorow seine Freiheit wiedererlangt habe. Sie mußten daher jeden Augenblick seine Rache fürchten und sich deshalb den Tag über in einem Grabgewölbe der Kirche verbergen, bis sie unter dem Schutze der Dunkelheit von Gregor zu einem Amtsgenossen desselben gebracht wurden, der sie fünf Tage lang in seinem Hause verbarg. Von dort aus flüchteten sie, da Bernhard nunmehr genügend hergestellt war, und die russischen Heere sich von allen Seiten näherten, ebenfalls heimlich und bei Nacht, damit ihr Retter und Beschützer nicht um ihretwillen zu dringender Gefahr ausgesetzt sein sollte. Den vergangenen Tag hatten sie im dichtesten Walde zugebracht, in dieser Nacht hofften sie das Werk der Rettung zu vollenden und das französische Heer zu erreichen. Willhofen, der Gegend am kundigsten, führte den Schlitten; Jeannette war Biankas treue Begleiterin geblieben. Das Los aller schien nunmehr, sowie sie das vor ihnen liegende jenseitige Ufer des Stroms erreicht haben würden, entschieden. Aber welches namenlose Elend und Verderben drängte sich noch in die schmale Bahn, die zwischen ihnen und der gehofften Rettung lag!
    Der schwarze Zug des Heeres hatte sich bereits in düsterm Gewimmel auf den gegen dm Strom sich absenkenden Schneeflächen verbreitet; aber mit Erstaunen sah man, daß er sich am Ufer dichter und dichter sammelte, jenseits aber niemand sichtbar wurde. Willhofen führte den Schlitten jetzt gleichfalls gegen

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