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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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vom Anrücken der Russen erhalten hat, und dem man zugleich meldet, daß die Brücke für die Wagen wiederhergestellt sei, den Übergang der Garden auf beiden Brücken. Er selbst setzt sich zu Pferde, um an der Spitze derselben das jenseitige Ufer zu gewinnen und sie bei Brilowa mit den bereits übergegangenen Truppen in Schlachtordnung aufzustellen, weil leider auch an jenem Ufer der Feind gefürchtet werden muß. Dieser Befehl zum Aufbruch bringt alles in Bewegung; jeder glaubt, jetzt sei der günstigste Augenblick der Rettung auch für ihn, und so stürzen und drängen alle zugleich, zumal aber die neuen vor Schreck halb betäubten Ankömmlinge, auf die schmalen Zugänge der Brücken ein. Dieser Masse ist kein Widerstand zu leisten; die geordneten Reihen der Alten Garden sind durchbrochen, zwischen ihre Artillerie drängen sich fremde Fuhrwerke ein, jede Ordnung ist aufs neue gestört, alles von der entsetzlichsten Verwirrung bedroht. Selbst das Ansehen des Kaisers reicht nicht mehr hin, ihm Bahn zu machen. Nachzügler, Verwundete, Wagen mit Gepäck, Weiber und Kinder stopften den Eingang zu der ersten Brücke, und die Wogen der Menschen drängen so unaufhaltsam nach, daß ohne Gewalt hier kein Durchgang mehr gewonnen werden kann. Die Notwendigkeit erzeugt den schrecklichsten Entschluß. Kavalleriemassen müssen in die Unglücklichen eindringen und sie mit scharfer Waffe zurücktreiben; schaudernd vollbringen sie den Befehl, der sie zwingt, das Blut hilfloser Kameraden zu vergießen und die Körper der Stürzenden mit den Hufen ihrer Rosse zu zermalmen. Ein lautes Angstgeheul, welches selbst den brausenden Nord übertönt, zerreißt die Lüfte, und um den Schrecken aufs höchste zu treiben, erschallt in diesem Augenblick auch schon wieder der feindliche Kanonendonner. Er führt wenigstens den Beweis, daß das unmenschliche Gebot nur von der dringendsten Notwendigkeit ertrotzt werden konnte. Die Bahn ist nun geöffnet; eine Abteilung Kavallerie rückt hinein; dann folgt der Kaiser, umgeben von seinen Offizieren, und ihm schließen sich die Garden an; doch immer neu, je näher und furchtbarer der Donner des Geschützes auf den Höhen hinter ihnen ertönt, drängen die Scharen der Flüchtigen auf die Truppen ein. Nur ihrer geschlossenen, geordneten Gewalt gelingt es, sie zurückzuwerfen, und es müssen Hunderte von Opfern in diesem widernatürlichen Kampfe fallen.
    Als die letzten Kolonnen die Brücke erreichen, beginnt es zu dämmern, und nach und nach heben sich die schwarzen Schleier von dem Gemälde, zu zeigen, was sie in ihrer düstern Hülle verbargen. O, die Nacht war mild gewesen, als sie mit ihren Flügeln diese Schrecknisse bedeckte! Der mitleidlose Tag zeigte die entsetzliche Wahrheit! Zerschmetterte Leichname, Trümmer von Wagen und Geschützen, gefallene Rosse, die sich in ihren letzten Zuckungen über noch blutende menschliche Körper hinwälzen, bedecken die steilen Abhänge, die sich neben der Brücke in den Strom senken. Zwischen den gegen die Uferwände getriebenen Eisschollen gewahrt man halbversunkene Unglückliche, die der Tod und die Kälte in dem Augenblick erstarrt hatten, wo sie die Arme noch hilferufend gegen Himmel und Menschen ausstreckten; doch vergeblich, denn beide waren taub für die Qualen der Angst und Verzweiflung. Wandte sich das Auge schaudernd ab von diesen Bildern des Grauens, so floh es noch scheuer zurück, wenn es sich auf die Lebenden am Ufer richtete; denn es erblickte nur eine zahllose Schar bleicher Gespenster, aus deren hohlen, erloschenen Augen die Verzweiflung starrte, die zitternd, weinend, heulend oder fluchend durcheinander irrten und, von eigenen Qualen zerrissen, die des Bruders nicht mehr empfanden. Nur ein wildes, wahnsinniges Drängen nach Rettung aus diesem Elende leitete, wie ein dunkler tierischer Trieb, alle ihre Bewegungen und Schritte. Viele aber vermochten selbst dazu weder Kraft noch Wunsch mehr zu erheben, sondern saßen regungslos wie Leichen auf der eisumpanzerten Erde und blickten starr auf die Stelle, die ihr Grab werden sollte. Nur der Weheruf der Zerschmetterten, der Zermalmten, derer, die in den Strom stürzten und von seinen Eisschollen hinweggerissen wurden, nur die Flüche und das Toben der Ruchlosesten, die sich über die Leichen ihrer Brüder den Rettungsweg bahnten, mischten in dieses gigantische Bild des Todes die letzten wild grausenvollen Zuckungen des Lebens. Doch es sollte sich noch entsetzlicher gestalten. Zwar das menschliche Maß

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