Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
betäubt von Schrecken, nicht einmal die Fähigkeit hatte, sich über Regnards plötzliche Erscheinung zu verwundern.
    Bernhard aber erblickte ihn, eilte auf ihn zu und fragte staunend: »Sie hier, Oberst? Wie kommen Sie hierher?« – »Von dort oben aus dem Gefecht«, antwortete er. »Es geht furchtbar her; unsere Leute stehen wie die Mauern von Troja, aber bald wird alles zusammengestürzt sein, denn sie begraben uns unter ihren Kugeln!« – »Sahen Sie Rasinski? Lebt er? Leben Boleslaw und Jaromir?« fragte Bernhard hastig. – »Sie fechten wie die Löwen, wie die Teufel, diese Polen«, erwiderte Regnard. »Doch es wird alles umsonst sein, wir werden keine Stunde mehr standhalten können. Und dann dieses Defilee, das so gut wie der offene Höllenrachen zu sein scheint.«
    »Sie sind verwundet, Oberst?« fragte Bernhard, da er ihn eine krampfhafte Bewegung gegen den Arm machen sah, den er in ein Schnupftuch eingebunden hatte.
    »Mein rechter Arm ist zerschmettert«, antwortete er. »Mein Pferd wurde von einer Granate zerrissen; ich schleppte mich nach Studianka, um einen Chirurgus zu suchen; aber dort oben ist nichts zu finden als Asche und Leichen. Zum Gefecht tauge ich nicht mehr; ich wollte daher den Versuch machen, ob ich über die Brücke kommen könnte. Da sah ich von oben diese Wagen; ich wußte, daß ihr gestern hier aufgefahren waret, und dachte: sollte ich sie wohl noch finden? Wenn du dein kleines Töchterchen noch einmal sehen könntest! sprach es in mir, und – lacht meinethalben, Freund – es klang mir aber wie eine Stimme Gottes. Vielleicht ist es der letzte Wunsch, der dir erfüllt werden soll, dachte ich und ging gerade hierher. Und als habe mich ein unsichtbarer Führer geleitet, drängte ich mich eben dort hindurch, als euch der Zwölfpfünder da oben den Streich spielte. Nun seht nur, wie das Kind noch freundlich ist; es sieht doch der Mutter ähnlich! Ja, wenn ich etwas für dich hätte, Würmchen! Wenn wir in Paris wären, und ich dir eine Tasche voll Bonbons geben könnte!« Er verlor sich in Kosen und Plaudern mit der Kleinen und schien sowohl seinen zerschmetterten Arm als das tobende Verderben ringsumher ganz zu vergessen. Die Kugeln schreckten ihn nicht; er war ihrer gewohnt aus zwanzig Schlachten. Doch die Vaterliebe war ihm neu, und eine Ahnung schien ihm zu sagen, daß er dieses Glück nicht lange mehr genießen solle.
    Indessen trat auch Ludwig wieder heran und begrüßte ihn. Bianka gab Jeannetten das Kind, das Regnard mit seinem einen Arm nicht halten konnte; sie fühlte, daß sie wanke, und lehnte sich daher auf das Rad des Wagens. Bernhard bemerkte es und schlang sanft den Arm um sie und küßte ihr die bleiche Wange. Er sprach nicht, aber sein heißestes Gebet drang zu dem Allmächtigen empor und flehte ihn an: »Rette mich um dieser willen und diese um meinetwillen; oder verdirb uns alle!«
    »Du bist so erschreckt worden,« redete er sie nach einigen Augenblicken an; »das macht, du verschließest dein Auge vor diesen Bildern; betrachte sie lange, und du wirst dich daran gewöhnen, und so die Erschütterung machtlos werden.« – »O Bruder!« rief sie schmerzlich, »das soll mein Herz lernen? Nein, nein, das vermag es nicht!« – »Sieh' dort jene Frau,« drang Bernhard wieder in sie; »nimm dir ein Beispiel an ihr; sieh', Liebe, wie ruhig sie mitten unter den Verwüstungen des Todes bleibt.«
    Wirklich sah man etwa zwanzig Schritte von ihnen eine hohe weibliche Gestalt, die, ein etwa dreijähriges Kind in den Armen haltend, auf einem Rosse saß und, wie es schien, festen Blicks in das Getümmel schaute. Ein schwarzer Schleier schlang sich um ihr Haupt, doch ließ er das Antlitz frei, dessen edle Züge mächtig ergriffen. Sie konnte erst seit wenigen Minuten gekommen sein, denn ihre Erscheinung hätte sonst schon früher, selbst in diesem Getümmel, wo jeder nur an sich selbst dachte, die Teilnahme aller erregen müssen, die sie sahen. Bernhard machte auch Ludwig darauf aufmerksam. »Ruhig?« sprach Bianka, die sie lange unverwandt betrachtet hatte; »ruhig, sagst du? Versteinert, mußt du sagen; denn siehst du nicht die Tränen, die ihr über das unbewegliche Antlitz rollen, und den hoffnungslosen Blick, den sie irr in den weiten Himmelsraum sendet? – O die Unglückselige!« – »Es ist die Witwe des Obersten Lavagnac,« sprach Regnard; »ihr Gatte blieb vor drei Wochen bei Wiazma; das Kind auf ihrem Schoße ist ihre Tochter.«
    Alle hingen an der hohen,

Weitere Kostenlose Bücher