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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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des Jammers und Entsetzens schien erschöpft, doch die waltenden Rachegötter wußten das Unheil aus neugefüllten Urnen in noch furchtbarern Wogen auszuströmen; denn plötzlich brach es wie der Donner des Jüngsten Gerichts über den Häuptern dieser Verdammten krachend herein. Aufgeschreckt aus der dumpfen Betäubung, fuhren selbst die der Hoffnungslosigkeit willenlos Hingegebenen empor. Da sahen sie die Höhen ringsumher von schwarzen Rauchwolken dampfen; die Schlacht tobte über ihren Häuptern. Als ob ein Dämon des blinden Schreckens plötzlich mitten unter die Scharen stürze und sie in besinnungslose Flucht scheuche, wälzten sie sich jetzt, keine Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit der Rettung mehr erwägend, in dichten schwarzen Wogen auf den Strom und seine Brücken zu. Und als bräche sie aus tausend geöffneten Schlünden hervor, wuchs die Flut durch die Ströme der Flüchtenden, die durch die Schlacht gejagt von den Höhen gegen Studianka und Borisow zu herabkamen. Der Augenblick war da, wo das unaufhaltsame Rad der Vernichtung von den eisigen Höhen herabrollte, um, was da atmete, zu zermalmen.
    Bianka, von Angst und Qual fast erschöpft, wandte das Haupt langsam nach jenen donnernden und rauchenden Höhen. »Glaubst du, mein Bruder,« fragte sie Bernhard leise, als ob sie bebe, die Antwort zu vernehmen, »glaubst du, daß der edle Rasinski dort im Kampf ist?« – »Es kann nicht anders sein, Liebe«, antwortete Bernhard. – »So nimmt mein Herz Abschied von ihm«, sprach sie mit sanfter Festigkeit und dem Ton innigster Liebe. – »Warum?« fragte Ludwig bestürzt. – »O mein Teuerster,« entgegnete Bianka sanft, »gewiß vertraue ich fromm auf Gott; doch schon unsere Rettung aus diesem alles verschlingenden Strudel zu hoffen scheint mir Vermessenheit, wie vollends auch die seinige aus jenem tobenden Ungewitter der Schlacht. Ich schließe mit der Erde ab; die ich verehrte und die ich liebte – jenseits werde ich sie ja wiedersehen.«
    Dieser einbrechende Schmerz der Schwester stachelte in Bernhards Brust seine ganze Kraft auf und ermannte ihn, sie trotzig dem Geschick entgegenzuwerfen. »Sei ruhig, Schwester; du hast noch nie gewürfelt, wo es eins gegen eins stand; ich habe noch so viel Hoffnung auf Gewinn als auf Verlust. Und unser Spiel steht gut, denn wenigstens haben wir hier einen Anker im Schnee geworfen, der uns festhält gegen die Bergströme, die dort hinunterrollen. Einmal müssen sie sich doch verlaufen, und dann wird Raum für uns.« – »Gewiß, du Holdeste,« setzte Ludwig mit männlicher Festigkeit hinzu; »und denke, welche Wunder der Himmel schon an uns getan; sie sind mir Bürge für die Zukunft, ein fester Schild gegen den sausenden Speer der Todesgöttinnen.« – »Ähnlich sprach der segnende Gregor freilich auch,« antwortete Bianka; »doch wer ergründet des Himmels Ratschläge?« – »So würde doch auch unser Untergang unser Heil sein«, entgegnete Ludwig ernst. »Das sei dein Trost!« – »Er ist es, Geliebter,« antwortete sie fromm und erhob das Auge gen Himmel; »darum aber nehme ich auch Abschied von der Erde.«
    »Ich nicht,« sprach Bernhard, »und du sollst es auch nicht, Schwester; aus irdischen Bedrängnissen und Gefahren hat uns die Hand des Schicksals auch für irdisches Glück errettet. Ludwig hat recht; wir haben ein Unterpfand; der Himmel ist nicht so verschwenderisch mit Gnaden und Wundern –« – »O frevle nicht,« unterbrach Bianka ihn erschrocken, da er in seinen alten, rauhen Ton verfallen war, indem er sich die schweren Bedrängnisse trotzig wie ein Löwe abschüttelte, dem ein Insektenschwarm um das Haupt schwirrt; »frevle nicht hier, wo der Allmächtige sein furchtbares Gericht hält!«
    »Nein, nein, Schwester,« antwortete Bernhard, »du mißverstehst mich; Ludwig weiß wohl, wie ich's meine; er kennt mich länger!« Dieser drückte ihm bewegt die Hand. »Und der Ewige kennt ihn am besten,« sprach er zu Bianka, »und nie hat er ein treueres, redlicheres Herz in einer menschlichen Brust gesehen.« – »Das mag unerörtert bleiben,« warf Bernhard fast leicht hin; »aber laßt uns nicht schwatzend den Augenblick versäumen, wo wir hier in die Speichen des Schicksalsrades packen müssen, damit es uns dort hinüberrolle auf die andere Seite. Willhofen! hast du noch etwas Futter für die Pferde? sie können uns sonst im Augenblicke der Not im Stich lassen.«
    »Vor Tagesanbruch habe ich sie in der Stille abgefüttert,« antwortete dieser

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