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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Doch vergeblich war das Spähen ihres Auges, denn der Rauch lag in dichten Wolken über den Feuerschlünden, und man sah nur schwarze Gestalten sich unbestimmt und unkenntlich darin bewegen, Da es ihr unmöglich war, sich von dem Los der Ihrigen zu überzeugen, wankte sie wieder zurück an die Stelle, wo sie zu verweilen gelobt hatte. Todesangst pochte in ihrer Brust; jeder Donnerschlag der Geschütze traf ihr eigenes Herz; so dem äußersten Verzagen hingegeben war sie noch nie. Das Kind wurde durch das furchtbare Getöse der Schlacht geängstigt und weinte. Bianka legte dem kleinen Wesen die Hände gefalten ineinander und sprach: »Unschuldiges Herz, flehe zu dem himmlischen Vater, deine reine Bitte wird ihn rühren; o laß diese grauenvolle Stunde an uns vorübergehen!« Das Kind gehorchte fast bewußtlos, kniete auf dem Boden und sah mit tränenden Augen bittend empor gen Himmel. Auch Bianka warf sich auf die Knie; die Worte versagten ihr, sie vermochte nur die Hände zitternd zu erheben; doch der Allmächtige vernahm ihr stummes Flehen. Wie viele tausend Gebete der Angst machtlos von dem ehernen Gewölbe des Himmels zurückschlugen, ihr war der Lenker der Dinge nicht taub, ihr neigte er sich mild entgegen. Ein tröstender Glaube senkte sich in ihre Brust und verscheuchte die düstern Ahnungen des Grausens, die sie umwoben. Sie atmete freier. »Nein, du unendlich Gütiger,« bat sie mit innigem Vertrauen, »du hast dein Antlitz nicht ganz von der Erde gewendet. Du hörst das Flehen der Unschuld und der bebenden Liebe, du wirst mein angstzerrissenes Herz nicht zermalmen!« Sie drückte das Kind an ihre Brust, und ihre Tränen flossen in erleichternden Strömen.
    Jetzt wurde der Donner der Schlacht schwächer, plötzlich schwieg er. Bianka riß sich gewaltsam empor; nun mußte sie zu den Ihrigen. Jetzt hatte sich's entschieden, ob das schwarze Verhängnis auch ihnen gefallen war. Hastig klimmte sie, mit dem Kinde an der Hand, den Hügel hinan. Da tönte eine Stimme aus Rauch und Dämmerung: »Schwester! Wo bist du?« Es war Bernhard, Außer sich vor Freude rief sie: »Hier, hier! Ihr lebt, beide, alle!« und eilte auf den Bruder zu, der von der Höhe herabkam. Er flog ihr entgegen; sie lag an seiner Brust; unaussprechlich war die Fülle ihrer Seligkeit. Doch er entwand sich sanft abwehrend ihrer Umarmung. »Frohlocke nicht,« sprach er schmerzlich – »wir mußten ein Opfer bringen! Boleslaw –« – »Gott der Gnade,« fiel Bianka erblassend ein, »er ist dahin?« – »Wir fürchten es; dort tragen die Freunde ihn heran«, erwiderte der Bruder und deutete auf einige Gestalten, die sich langsam näherten. Dann lehnte er, bis zur Ermattung erschüttert, das Haupt an die Schulter der Schwester und seufzte tief auf. Seine starke Seele war bezwungen durch den Schmerz um den Freund, seine feste Kraft gebrochen. »Es muß getragen sein!« sprach er sich aufrichtend, »wie tief der Stachel in die Brust dringe! Laß uns ihnen entgegen!«
    Unsichern Schrittes ging er mit der Schwester den Kommenden entgegen, die in ihren Armen den erblaßten Jüngling trugen. Eine Kugel hatte ihm den Schenkel zerschmettert, die furchtbare Erschütterung die Lebenskeime des ganzen Körpers zerstört. »Legt mich nieder,« sprach er matt, »ich bitte euch!« – »Tut ihm seinen Willen«, gebot Rasinski leise und schüttelte das Haupt, als wolle er sagen, unsere Sorge rettet ihn doch nicht mehr.
    Sie ließen den Verwundeten vorsichtig auf den Boden nieder. Rasinski kniete zu seinem Haupte und nahm ihn halb aufgerichtet sanft in seine Arme. Jaromir hatte die Rechte des Sterbenden ergriffen. Ludwig wandte sich erschüttert ab. Bianka trat ihm mitleidsvoll entgegen und hauchte leise: »Auch das noch, mein Teuerer!« Er drückte sie stumm ans Herz; zu sprechen vermochte er nicht. Es vermochte es keiner. Mit dem heiligen Schweigen der tiefsten Bekümmernis wandten alle die Blicke auf den Verwundeten, der, den Kampf des Todes in den Zügen, mit geschlossenen Augen dasaß. Jetzt schlug er sie auf, sah verwundert umher und suchte sich zu besinnen. »Ihr alle seid mir nahe«, sprach er freundlich, als er die Freunde um sich her erblickte, und ein sanftes Lächeln der Dankbarkeit schwebte um seine Lippen. »Ich sterbe schön,« fuhr er nach einigen Augenblicken fort und richtete sich empor; »ihr dürft nicht um mich trauern. Ich sterbe in Freundes Armen den Tod der Ehre!« Ein edler Stolz rötete des Jünglings erbleichte Wange mit leichtem

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