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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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getröstet, du schöne Seele – wer eine Vorsehung glaubt, darf in deiner Nähe nichts fürchten.« Bianka errötete und senkte in Demut das Auge. »Solche Worte spricht dein mildes Erbarmen mit der Hilflosen,« erwiderte sie; »ich aber weiß wohl, daß der Arm des Herrn hier Bessere beschützt und vernichtet als mich. Du edler Freund! Ich fühle in Unterwürfigkeit meinen niedern Wert; laß mir den Glauben, daß dein höherer unser aller Schutz ist.«
    Rasinski war noch nie so weich gewesen. Der Tod des liebsten Freundes hatte seine männliche Kraft zu so sanft anklingenden Saiten herabgespannt. Schwermütig setzte er sich nieder und stützte sein Haupt nachdenkend in die Hand. Es herrschte eine tiefe Stille ringsumher; nur die flackernde Flamme beleuchtete das ärmliche Gemach. Jaromir saß vor der Glut, blickte mit starren Augen hinein und schürte gedankenlos darin. Mit heimlichem Grauen bemerkte Bernhard die Stumpfheit des Schmerzes, die ihn ergriffen hatte; es erneuten sich die alten Sorgen und Befürchtungen in ihm, die seit den letzten Tagen wieder verschwunden waren, weil sich die Zeichen von der innern Zerrüttung des Unglücklichen, vielleicht durch die Macht der zu gewaltigen Ereignisse zurückgedrängt, verloren hatten. Doch als er ihn jetzt der Flamme gegenübersitzen und mit gleichgültigen Augen hineinstarren sah, tauchte das verscheuchte Gespenst seiner bösen Ahnungen aufs neue aus der Tiefe seines Busens empor.
    »Was ist Glück?« unterbrach Rasinski das tiefe Schweigen. »Fühlen wir uns nicht glücklich, beisammen zu sein in dieser sichern Hütte, die uns ein Obdach gewährt? Ja ich dürfte sagen, wir wären glücklich, wenn nicht der liebste Freund in unserm Kreise fehlte! Wäre er bei uns – ja, wir wären glücklich in dieser Stunde!« – »Die Wünsche wachsen mit der Erfüllung,« erwiderte Ludwig; »wem das Schicksal zeigt, was es bedrohen, was es rauben kann, der wird genügsamer und preist sich glücklich, wenn er nur den kleinsten Anteil seiner Hoffnungen aus dem unermeßlichen Reich des Verlorenen rettet. Und des Menschen Seele ist wunderbar gemischt! Sie kann den tiefsten Schmerz neben dem höchsten Glück empfinden – ja so fühlt oft eins nur durch das andere.« – Ein Blick auf Bianka, ein Druck ihrer in der seinen ruhenden Hand sagte der Geliebten, wie er diese Worte verstehe und ihre Wahrheit an sich selbst geprüft habe; denn seine Liebe drang unter den Gefahren, denen er sie entreißen, unter den Schmerzen, in denen sie ihn tröstend erheben mußte, mit immer tiefer greifenden Wurzeln in sein Herz.
    »Glück gibt eine zu zarte Haut,« warf Bernhard hin; »ein geknicktes Rosenblatt drückt uns wie den sybaritischen Alcibiades. Das Unglück zieht uns einen schuppigen Harnisch über die Brust, daß die schönsten Pfeile zuletzt matt und stumpf abprallen. Es schlägt dann freilich nicht mehr viel Herz hinter einem solchen Panzer, sondern die Versteinerung dringt bis mitten hinein, und die Wunden bluten nur deshalb nicht, weil sie schon verblutet sind.« Er hielt während dieser Worte sein beobachtendes Auge fest auf Jaromir gespannt, der noch immer in der Glut des Ofens schürte.
    »Eine schöne, helle Flamme, nicht wahr, Rasinski?« sprach er, da alle umher schwiegen, mit tonloser Stimme und sah sich mit einem seltsamen Lächeln um. – »Freilich, freilich,« erwiderte der Gefragte halb zerstreut; »der Mensch wird gedemütigt und lernt, daß er aus Erde, aus Staub, aus Asche besteht.« – »Wohl, wohl,« fiel Bernhard ein; »ich weiß, was du eigentlich sagen willst. Man kann ihm das Herz mit einem glühenden Schwert durchbohren und es zur Kohle ausbrennen; falls der Magen unverletzt geblieben ist, wird ein tüchtiger Hunger doch nicht ausbleiben. Mich hungert, beim Himmel. Und ich wünschte,« setzte er leise hinzu, »Jaromir hätte Trank und Speise und ginge schlafen, daß seine stumpf gereizten Nerven ausruhten und wieder neues Gefühl bekämen.«
    Erst jetzt warf Rasinski einen forschenden Blick auf den Unglücklichen und entfärbte sich, als er die gleichgültigen Züge desselben scharf ins Auge gefaßt hatte. »Du hast recht,« sprach er hastig leise zu Bernhard; »wir müssen Anstalten treffen.« Entschlossen, tatkräftig wie er war, riß er sich sogleich aus seiner brütenden Schwermut auf und suchte den Wirt auf, der hinausgegangen war. Er fand den Alten willig, herzugeben, was man bedurfte, zumal Rasinski ihm die Versicherung gab, daß er die letzten Feinde

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