Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
Hauche; noch einmal flammte der Mut in seinem brechenden Auge auf. »Ich sterbe gern«, setzte er wehmütiger hinzu. »Jaromir! mein Freund, mein Bruder!« Er drückte die Hand des vor ihm Knienden mit warmer Liebe und tiefster Rührung; denn seine Gedanken wandten sich zu dem Bilde der fernen Geliebten hinüber, das er stumm, aber unverbrüchlich treu in seinem Herzen getragen hatte. Seine Liebe wurde ihm jetzt ein heiliges Vermächtnis für den unglücklichen Freund.
    »O warum liege ich nicht an deiner Stelle!« rief dieser schmerzensvoll aus, indem er das Antlitz auf die Hand des Scheidenden drückte; »warum hat der Tod nicht mich erlöst!« – »Nein, nein – du sollst noch glückliche Tage sehen,« antwortete Boleslaw bewegt – »glückliche Tage in ihren Armen. Bringe deiner Lodoiska den Gruß des Sterbenden; dir gesteht es meine erblassende Lippe – ich habe sie geliebt – schweigend, aber aus tiefster Seele!« – »O Gott! O Bruder!« rief Jaromir außer sich. »Du, du – du wärest treu geblieben! O, ich Unglückseliger!« – »Du hast schwer gebüßt, alles ist gesühnt, mein Bruder«, sprach Boleslaw sanft. »Gehört euch – um des Schmerzes willen, den ich getragen – es ist meine letzte Bitte an dich; an sie – das sei mein Glück dort drüben.«
    Hier sank er matt zurück. Jaromir beugte sich heftig über ihn: »Bleib noch bei uns – o Bruder, noch jetzt stirb mir nicht«, rief er von krampfhaftem Schluchzen unterbrochen und drückte sein Angesicht auf die erkaltende Hand des Teuern. Noch einmal erhob Boleslaw das brechende Auge – »Rasinski – ihr Freunde!« sprach er matt. Sie hielten seine Hände – sein Blick gleitete liebend über alle dahin und winkte jedem einen lächelnden Abschiedsgruß zu. Auf Jaromir weilte er am längsten; dann seufzte er mit brechendem Laut: »Lodoiska!« – und müde schloß er die Augen – lehnte das Haupt an Rasinskis Vaterbrust – und verschied. Der Tod verklärte seine edle männliche Schönheit; ein Marmorbild saß er da; die schwarzen Locken wallten ihm von der Stirn, die noch im Tode den Adel des Muts trug; um die Lippen schwebte ein sanfter Zug des Schmerzes, aber heilige Ruhe wohnte auf den erloschenen Zügen. Heilige, sanfte Ruhe, denn sein grambeladenes Herz schlug nicht mehr. Jaromir drückte sein weinendes Antlitz gegen die Brust des Toten und umschlang ihn mit heftiger Umarmung.
    »Der Herr habe seine Seele«, sprach Rasinski mit ernster Fassung und legte die Hände segnend auf das Haupt des Abgeschiedenen. Dann wandte er sich zu den Freunden: »Wohl uns, daß wir wenigstens diesen teuern Leichnam nicht der Wildnis lassen müssen. Die Nacht bricht herein. Wir müssen das teuer erkämpfte Obdach zu erreichen suchen; und dort soll er bestattet werden!« Er deutete mit dem Finger auf Malodeczno, wohin die Truppen sich jetzt zurückzogen, nachdem der Feind, durch ihren ausharrenden Mut bezwungen, es endlich aufgegeben hatte, ihnen diesen Zufluchtsort zu entreißen.
    Jaromir allein hörte Rasinskis Stimme nicht; der Schmerz hatte ihn zu heftig betäubt; bewußtlos ruhte er noch immer an der Brust des Toten. »Raffe dich zusammen, Jaromir,« redete Rasinski ihn an und suchte ihn emporzuheben; »zeige ein männliches Herz. Du verlorst deinen teuersten Gefährten, ehre sein Gedächtnis durch kräftige Erhebung über deinen großen Schmerz. Starb dir ein Bruder, so starb mir ein Sohn; ermanne dich, ersetze du mir den Verlorenen.«
    Der sanfte, ernste Trost drang in das Herz des Unglücklichen ein; er erhob sich schweigend, aber mit gewaltsamer Anstrengung, und Rasinski schloß ihn tröstend wie ein Vater an sein Herz. »Hilf uns unserm Gefallenen den letzten Dienst der Liebe erweisen«, sprach er und beugte sich zu Boleslaw herab, um sein Haupt emporzuheben. Die vier Freunde nahmen den Entseelten in ihre Arme, um ihn die kurze Strecke bis in den Flecken hinabzutragen. So wanderten sie im düstern Trauerzug dahin.

Sechstes Kapitel.
    Doch die ingrimmige Natur überbot mit ihren Schrecken selbst den tiefsten edelsten Schmerz. Mit der gesunkenen Sonne stieg die Kälte höher und höher. Die Arme erstarrten den Tragenden fast, so kurz der Weg war. Nur die heiligste, unverbrüchlichste Freundschaft vermochte die Pflicht dieses letzten Liebesdienstes aufzulegen; für jeden andern hätte er unvollführt bleiben müssen. Doch in ihrer Liebe fanden die Getreuen die Kraft. Nach unsäglicher Anstrengung erreichten sie ein kleines Haus, welches zur Seite der

Weitere Kostenlose Bücher