1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
die heutige mit diesem Mercier« – er wies mit dem Kopf in die Richtung, wo der französische Leutnant gerade seine entwaffneten Männer zusammenrief, um mit ihnen das Lager in die vorgegebene Richtung zu verlassen – »künftig Ihr Leben bestimmen werden. Wir sind ein Kommando, das ich auf eigenen Wunsch und nicht auf Befehl meiner Vorgesetzten ins Hinterland des Feindes geführt habe. Uns wurde immerhin so viel Aufmerksamkeit zuteil, im
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in einem Atemzug mit den Lützowern als schwarze Briganten genannt zu werden. Das heißt, wenn wir in Gefangenschaft geraten, haben wir keinerlei Milde und auch nicht die normale Verfahrensweise für Gefangene zu erwarten. Überall sind Patrouillen unterwegs, um uns aufzuspüren. Und schon bald stehen uns gefährlichere Einsätze bevor, als nur einen schlafenden französischen Leutnant zu überrumpeln. Das sollten Sie sich vor Augen halten, wenn Sie sich entscheiden.«
»Heißt das, Sie nehmen uns auf?«, fragte Richard begeistert, und auch Felix’ Gesichtsausdruck zeigte, dass ihn die Rede des Rittmeisters nicht abgeschreckt hatte.
Colomb winkte seinen Adjutanten Eckardt heran, der als Justizrat für Studenten ebenso eine unerschütterliche Autorität darstellte wie für die städtischen Behörden.
»Drei Tage auf Probe«, entschied er. »Sie müssen sich selbst ausrüsten – aber zu ihrem Glück haben wir heute genug Pferde und Waffen erbeutet. Leutnant Eckardt, stellen Sie diesen beiden Burschen jemanden zur Seite, der ihnen alles beibringt, was sie wissen müssen. Dann werden wir sehen, ob sie für uns taugen.«
Kopfschüttelnd sah er den zwei Neuen nach, dann gab er das Kommando, dass sich seine Eskadron zum schnellen Abmarsch bereit machen sollte. Nachdem sie die Gefangenen entlassen hatten, mussten sie rasch von diesem Ort verschwinden – trotz seines anheimelnden Namens »Fröhliche Wiederkunft«.
»Wie hast du das gemacht?«, raunte Richard immer noch verblüfft, während sie dem Leutnant folgten. Ihm selbst war trotz seiner großmäuligen Ankündigung nicht wohl gewesen, als er den Freund neben dieser nervösen Stute sah.
Felix zuckte nur mit den Schultern. »Irgendwie weiß ich immer schon einen Augenblick eher, was sie vorhaben. Und zuerst habe ich sie ein wenig neugierig gemacht. Pferde vertrauen mir, sie spüren, dass ich ihnen nichts Böses tun würde.«
Er überlegte einen Augenblick und erklärte dann: »Ich werde sie Joséphine nennen.«
Entrüstet starrte Richard ihn an. »Doch nicht etwa nach der Kaiserin?«
»Es passt genau zu ihr«, meinte Felix mit feinem Lächeln. »Bildschön und ein bisschen kapriziös …«
Rheinbündler
Auf einer Waldhöhe in Thüringen am linken Ufer der Roda, 25 . Mai 1813
E s roch kräftig nach Tannengrün, feuchten Blättern und Harz auf dem Beobachtungsposten des Rittmeisters von Colomb, einer waldigen Anhöhe, von der aus man die Straße von Lobeda zu dem Städtchen Roda gut überschauen konnte. Der Tag war kaum angebrochen, und der Rittmeister wartete auf seinen Kundschafter aus Richtung Jena. Eine große französische Wagenkolonne sollte diesen Weg entlangkommen – Gerüchten zufolge entweder der Tross des Vizekönigs von Italien, der sich angeblich mit Napoleon zerstritten hatte und abzog, oder aber eine von Mamelucken bewachte Wagenkolonne mit dem kaiserlichen Gepäck.
Es wäre dem Husarenoffizier ein Herzensbedürfnis, die mit seinen Männern zu erobern und einen Teil der Beute an die Einheimischen zu verschenken, die sie so begeistert unterstützten.
Doch vorerst ließ sich weder sein Kundschafter noch eine französische Wagenkolonne blicken, deshalb blieb dem Rittmeister Zeit zum Grübeln.
Natürlich waren sie viel zu wenige, um einen so großen Wagenpark zu überfallen, der von Hunderten Bewaffneten geschützt wurde. Aber bei seinen Streifzügen in den letzten Wochen hatte er die Gegend ausgekundschaftet und auch manchen Hinweis von Einheimischen erhalten, die sich diebisch freuten, wenn Colombs Männer den französischen Militärs das Leben ein wenig schwerer machten.
Er hatte sich den Platz klug ausgesucht, denn irgendwo hier, in dieser Schlucht, würde sich die Kolonne angesichts der engen Straßen des nahen Städtchens sicher teilen. Daraus wollte er seinen Vorteil ziehen. Sie mussten nur schnell sein und den richtigen Moment abpassen.
Dem Rittmeister war vollkommen klar, dass er unweigerlich vor ein Exekutionskommando gestellt würde, sollte er von den Franzosen gefangen genommen werden.
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