1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
wurde ganz aufgeregt. Heftig ruckelte er Felix am Arm, der sofort aus dem Schlaf fuhr.
»Wach auf, sieh doch! Sie kommen!«
Unten zog französische Kavallerie die Straßen entlang, zweifelsohne die Vorhut der erwarteten Wagenkolonne. Richard überschlug rasch, wie viele Reiter es waren, kam aber irgendwo zwischen zweihundert und dreihundert durcheinander. So viele – und das ist erst die Vorhut!, dachte er beklommen. Wie kann der Rittmeister glauben, dass wir gegen die eine Chance haben?
Doch nun war es Felix, der ihn aufgeregt am Arm packte. »Schau nur, Mamelucken!«
Von denen hatten sie noch nie welche gesehen. Deshalb starrten sie von ihrem Versteck auf der Anhöhe aus auf jedes Detail der exotischen Kleidung der Fremden mit den federgeschmückten Turbanen.
»Sie sollen wirklich furchteinflößende Kämpfer sein«, murmelte Richard.
Nun folgte eine nicht enden wollende Zahl Karren, die links und rechts von Infanterie begleitet wurden.
»Das ist bestimmt ein ganzes Bataillon«, sagte Richard leise. »Ich weiß nicht, was der Rittmeister vorhat, aber gegen diese Überzahl können wir unmöglich …«
Ihm wurde so mulmig zumute, dass ihm mitten im Satz die Worte ausgingen. Wenn Mamelucken dabei waren, musste das ein kaiserlicher Tross sein. Sie sollten eine Wagenkolonne Napoleons überfallen!
Felix dagegen lächelte erstaunlich gelassen. »Warte nur ab. Ich denke, ich weiß, was der Rittmeister plant …«
Wie kaum anders zu erwarten, musste es in den engen Straßen von Roda zu einem Stau im Tross gekommen sein. Als etwa sechzig Wagen an der Anhöhe vorbeigefahren waren, auf der die Colombsche Schar auf der Lauer lag, teilte sich die Kolonne. Einige Wagen blieben stehen, quasi direkt vor ihrer Nase, die anderen bogen ab und waren bald außer Sichtweite.
Der Rittmeister von Colomb gab leise das Zeichen zum Aufbruch. Vorsichtig führten die Männer ihre Pferde den Berg hinab zu einer Furt, die sich nach Auskunft der Einheimischen an einer Mühle befinden sollte.
Beim Anblick der Furt fluchte Colomb still vor sich hin – sie war ganz schmal. Hier konnte immer nur ein einzelnes Pferd passieren und musste dann auch noch über einen Steig die hohe Böschung erklimmen. Das zwang ihn, seinen Plan zu ändern und etwas zu improvisieren.
Er befahl den Männern, die Säbel wieder einzustecken und einzeln hinaufzureiten. Die beiden neuen Volontärjäger erhielten Order, als Letzte die Furt zu passieren. Nicht, weil er ihnen nicht traute, sondern weil sie statt Uniformen ihre schwarzen Jacken der Bergakademisten trugen. Er wollte die Zugehörigkeit seiner Truppen nicht auf Anhieb zu erkennen geben, und schwarze Jacken signalisierten in diesen Zeiten sofort: Freikorps. Bonaparte hasste die »schwarzen Briganten« über alle Maßen.
Der wartende Teil der Wagenkolonne war nun keine dreihundert Schritt von ihnen entfernt; zwischen Furt und Straße lagen nur eine Wiese und etwas Acker. Schon wurden die schätzungsweise fünfzig Infanteristen, die die Wagen bewachten, aufmerksam auf sie.
Die Wiese war so feucht, dass die Pferde tief einsanken und kaum vorankamen. Damit starb der Plan eines schnellen Angriffs.
Gott steh uns bei!, dachte Richard und hätte am liebsten vor Angst aufgeschrien. Das ist das Ende! Wir stecken hier im Dreck fest, im wahrsten Sinne des Wortes, und die dort drüben werden uns einen nach dem anderen abknallen! Hektisch blickte er um sich auf der Suche nach dem besten Fluchtweg.
Die Infanteristen starrten verwundert auf die Reiter, die sich ihnen so langsam und ohne gezogene Waffen näherten – offenbar unschlüssig, ob es sich dabei um Freund oder Feind handelte. Einige liefen zu den Gewehren, die sie zu Pyramiden zusammengestellt hatten.
Doch da hatten Colomb und die ersten zwanzig seiner Männer endlich festen Boden unter den Füßen.
Der Rittmeister gab sofort Kommando: »Gewehr auf! Marsch, marsch!« Nun preschten die Husaren und Jäger auf die Gegner zu, während Colomb den Feinden mit donnernder Stimme zurief: »Werft die Gewehre weg, dann bekommt ihr alle Pardon!«
Er war nicht auf Blutvergießen aus, nur auf Beute. Es genügte ihm, die Überwältigten zu entwaffnen und nach ihrem Ehrenwort zu entlassen, nie wieder gegen Alliierte zu kämpfen – so wie Mercier und seine Männer.
Und diesmal lag ihm besonders an einem unblutigen Ausgang, denn Einzelheiten der Uniformen verrieten ihm, dass er tatsächlich Rheinbundsoldaten vor sich hatte, Württemberger oder Bayern.
Verblüfft
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