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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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abgegriffenen Blätter zurück und wollte gehen. Aber der Oheim drückte ihr mit einem Augenzwinkern rasch noch ein schmales Büchlein in die Hand. Sie erkannte den Titel und strahlte: »Don Carlos«.
    Henriette liebte Schillers Werke. Sie war zu Tränen gerührt über die unglückliche Liebe von Ferdinand und Luise, begeistert von Karl Moor und Wilhelm Tell. Aber jemanden, dem die Allmacht des Zensors so gegenwärtig war wie ihrem Onkel und damit auch ihr, den trafen die Worte »Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!« mitten ins Herz.
    Sie bedankte sich mit einem verschwörerischen Lächeln, versteckte den kleinen Band in den zu weiten Ärmeln des Morgenmantels der Tante und lief hinaus.
    Friedrich Gerlach bekam noch eine Gnadenfrist, bis Jette die Treppe hinunter war, um die Proklamationen wieder im Geheimfach zu verstauen.
    »Mein lieber Mann«, fing Johanna dann wie erwartet an, in vorwurfsvollem Tonfall, die Hände in die Seiten gestemmt. »Was denkst du dir dabei, all das vor den Kindern auszubreiten? Hast du dir überlegt, was das arme Mädchen in den letzten Tagen durchgemacht hat? Sie braucht etwas Abwechslung, Aufheiterung. Wir müssen überlegen, wie wir sie auf andere Gedanken bringen. Tanzstunden, Gesellschaften … Wir sollten vielleicht ein Fest vorbereiten, nur etwas Kleines, ganz bescheiden, und ein paar nette junge Männer dazu einladen … Natürlich keine Militärs! Und kein großes Essen. Wie auch, da alles so knapp ist? Aber selbst in den Salons in Berlin soll es ja durchaus genügen, Butterbrot und Tee zu reichen, weil es schließlich in erster Linie um die Geselligkeit und den Gedankenaustausch geht.«
    Sprachlos betrachtete Friedrich Gerlach seine Frau, nahm sogar die Brille ab und putzte sie erneut, diesmal mit dem Zipfel seiner Weste. Mit Vorwürfen hatte er gerechnet. Und sie hatte auch schon mehrfach im Bekanntenkreis ihre Begabung als Kupplerin unter Beweis gestellt. Aber das übertraf nun alles.
    »Hier wird in ein paar Tagen vermutlich die Hölle ausbrechen, und du denkst an Tanzstunden und Bälle?!«, fragte er entgeistert. »An junge Männer, die Jette davon ablenken könnten, dass sie vielleicht jemanden getötet hat? Was sie erlebt hat? Du solltest lieber mit ihr in die Kirche gehen. Und aufpassen, dass ihr nichts geschieht, wenn hier noch mehr Truppen durchziehen oder gar bleiben!«
    »Ach was!«, widersprach Johanna mit erzwungener Leichtfertigkeit. »Ihr Männer, ihr redet immer nur von Krieg und Politik. Aber auch im Krieg muss geatmet und gegessen werden. Seien wir dem lieben Gott dankbar, dass wir noch etwas zu essen haben und einen Tisch, auf den wir es stellen können, und ein Dach über dem Kopf. Ja!«, gab sie ihm nun beinahe wütend recht, »wir haben gerade Krieg, aber es wird auch wieder einen Waffenstillstand geben!«
    Friedrich Gerlach kannte seine Frau gut genug, um zu erkennen, dass sie sich damit selbst beruhigen wollte. Dass auch sie sich davor fürchtete, was noch kommen mochte. Er trat zu Johanna, an der er trotz ihrer Redseligkeit sehr hing, und nahm sie in seine Arme.
    »Lass uns erst einmal die nächsten Tage überstehen«, sagte er leise und strich ihr über die Schulter. »Dann sehen wir weiter. Vielleicht hat sich ja alles zum Guten gewendet in dieser Schlacht gestern. Vielleicht haben die Alliierten die Grande Armée endgültig zerschlagen und diesem Irrsinn ein Ende bereitet.«
    Doch mit dieser Hoffnung lag Friedrich Gerlach vollkommen falsch.

In Blüchers Hauptquartier
    Pegau, 3 . Mai 1813, im Gasthaus zum Mohren
    S ieg? Wat is daran Sieg, wenn wir uns zurückziehen?«, schimpfte General Blücher , dem seine siebzig Jahre nichts auszumachen schienen. »Eine Schande! Mich juckt’s in alle Finger, gleich wieder loszureiten. Aber vorwärts, immer vorwärts, nich zurück!«
    Wütend stopfte er seine geliebte Pfeife und sah auf den Chef seines Generalstabes, der vorsichtig das linke Bein etwas ausstreckte. In der Schlacht gestern hatte ihn eine Kugel unterhalb des Knies getroffen. Sie war entfernt worden, aber die Wunde schmerzte, und in der Nacht hatte er kaum ein Auge zubekommen.
    »Zu hohe Verluste und Munitionsmangel«, wiederholte Gerhard von Scharnhorst missmutig die offizielle Begründung für den Rückzugsbefehl, den auch er für einen fatalen Fehler hielt. Er rieb sich über das umschattete Gesicht. Sein dunkles Haar war zerzaust wie fast immer, doch sein Blick klar trotz der Schmerzen und des fehlenden Schlafes. »Die Gegner waren uns zahlenmäßig

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