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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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deutlich überlegen. Mehr als einhundertzwanzigtausend Mann. Aber von denen verloren sie gestern ein Viertel.«
    »Eben! Und wat wir für Verluste hatten! Dat tut mich im Herzen weh. So viel Blut – und denn retirieren ?«, stimmte der Ältere ihm zu. »Noch ein Linienangriff mit die tüchtigen Kosaken, und ich hätte dat Unjeheuer erwischt!«
    Der Rückzugsbefehl war schon gegeben, als Blücher nach Einbruch der Nacht die Reservekavallerie in einen weiteren Angriff geführt hatte, um den Abmarsch der Truppen zu verschleiern. Die Dunkelheit und ungünstige Bodenverhältnisse zwangen zum Abbruch. Der alte Haudegen ahnte nicht, dass er mit dieser letzten Attacke schon auf zweihundert Schritt an seinen Erzfeind herangekommen war und in jenem Karree Napoleon selbst und dessen gesamte Entourage von den Garden geschützt wurden. Sonst wäre er ganz gewiss weitergeritten.
    Wütend hieb der sonst so beherrschte Scharnhorst mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ja, verdammt noch mal, der Feind war zahlenmäßig klar überlegen! Aber wir hatten mehr Geschütze und viermal so viel Kavallerie! Das alles, dieser ganze Feldzug, hätte gestern schon ein Ende finden können!«
    »Man fragt sich schon, wie der Bonaparte so schnell wieder solche Massen aufbieten konnte«, warf Blücher hintersinnig ein, während er hingebungsvoll paffte.
    Dabei kannten sie beide die Antwort: Noch von Russland aus hatte Napoleon Truppen aus Spanien zurückberufen, die Pariser Bürgergarde und die Nationalgarde als Reservearmee aktiviert und den Jahrgang 1793 eingezogen, kurz darauf auch noch den gesamten Jahrgang 1794 .
    »Die meisten waren fast Kinder, kaum ausgebildet. Nur eben mit erfahrenen Offizieren«, sagte Scharnhorst verbittert und hob den Deckel von der Kaffeekanne, um hineinzusehen, ob sie wirklich schon ausgetrunken war. Leer – wie befürchtet. Als Scharnhorst eingetroffen war, hatte Blücher sofort seine Ordonnanz losgeschickt, um frischen Kaffee vom Wirt des Mohren zu holen, der auch die Post betrieb. Aber offenbar ließ sich derzeit nicht einmal für die Generalität ohne Schwierigkeiten Kaffee auftreiben.
    Der alte Feldherr schien seinen Generalstabschef nicht gehört zu haben. »Wird wohl so sein, dass den Majestäten jehörig der Schrecken in die Glieder jefahren ist, als ihnen statt ein paar kläglicher Überreste plötzlich einhundertzwanzigtausend Mann gegenüberstanden«, meinte er nicht ohne Häme.
    »Wir haben Fehler gemacht«, wiederholte Scharnhorst ruhelos. »Wir hätten schon nach den ersten Gefechten bei Lüneburg und Möckern vor einem Monat nachsetzen sollen, so wie wir beide es wollten. Aber die russische Hauptarmee war zu weit weg.«
    Und Zar Alexander ließ sich sehr viel Zeit, sie herzubeordern, während der preußische König wieder einmal keinen Entschluss fassen konnte. Der Zar war sogar vor ein paar Tagen noch nach Teplitz gereist, um seine Schwester zu besuchen. So hatte die russisch-preußische Allianz schon nach dem ersten kleineren Sieg bei Möckern verhängnisvolle Schwäche offenbart.
    »Die Truppen marschierten von fünf Uhr an und sollten im Morgengrauen angreifen. Stattdessen ließ man sie eine Parade für den König und den Zaren machen und erst um elf in den Kampf gehen«, fuhr Scharnhorst mit seiner unerbittlichen Analyse fort. »Das war Zeit- und Kraftverschwendung! Und das ganze Durcheinander davor …«
    »Machen Sie sich nix draus!«, sagte Blücher sofort und sehr entschieden. »Den Rüffel des Königs ham nicht Sie verdient. Ich mach mich auch nix aus dem Rüffel wejen die Proklamation.«
    Beim Anmarsch hatten sich die Wege der Korps Blücher und Yorck gekreuzt, wodurch ein gewaltiges Durcheinander entstand, was wiederum den preußischen König zu der wütenden Äußerung trieb, dafür gehöre Scharnhorst eigentlich in Festungshaft.
    Der Generalstabschef war zutiefst gekränkt. Doch er hatte geschwiegen, wieder einmal um der Sache willen. Er hatte dem König von Preußen das gesamte Militärwesen erneuert, eine moderne und einsatzfreudige Armee auf die Beine gestellt, Landwehr und Freiwilligenverbände. Aber Dank dafür zu erwarten hatte er sich längst abgewöhnt. Er war eben der »Fremdling aus Hannover« und entstammte nicht dem Hochadel. Das ließ man ihn trotz aller Verdienste immer wieder spüren.
    Also hatte er in solchen Momenten zu schweigen gelernt, solange er nur seine Reformen durchbekam: keine in den Dienst gepressten Rekruten, sondern Soldaten, die freiwillig diese Pflicht für

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